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Nachdem wir uns in Teil 1 angeschaut haben, was ein Terminologieleitfaden ist, was darin festgehalten wird und wann sich der Einsatz lohnt, geht es jetzt in Teil 2 um konkrete Einsatzszenarien, bei denen ein Terminologieleitfaden in der unternehmerischen Praxis unterstützt.
Szenario 1: Leitfadenerstellung bei Termextraktion
Termextraktion kommt oft zum Einsatz, wenn Unternehmen mit Terminologiemanagement anfangen oder ein Content-Management-System wie SCHEMA ST4 einführen. Bei Erstextraktionen empfehlen wir, auf Basis der Ergebnisse einen Terminologieleitfaden zu erstellen. Darin werden Regeln zur Benennungsbildung festgehalten, die zukünftig für die Erstellung konsistenter Texte sorgen. Wenn Ihnen bei einer Termextraktion etwa Bindestrich-Schreibvarianten unterkommen, wie z. B. „Speicherkartenfach“ und „Speicherkarten-Fach“, können Sie die Schreibweise Ihrer Wahl im Leitfaden dokumentieren. Orientieren Sie sich dabei an einem Muster oder – falls noch nicht vorhanden – legen Sie selbst Regeln fest.
Im Terminologieleitfaden wird nicht nur die Verwendung von Bindestrichen oder der Umgang mit Abkürzungen geregelt, sondern auch die Bevorzugung von deutschen oder englischen Benennungen. Befindet sich unter Ihren Termkandidaten nicht nur der „Schraubenziehersatz“, sondern auch der „Schraubenzieher-Satz“, das „Schraubenzieherset“ und das „Schraubenzieher-Set“? Auch solchem Wirrwarr lässt sich mithilfe eines Leitfadens vorbeugen.
Szenario 2: Der Leitfaden im Leitfaden
Die Technische Redaktion lebt von effizienten Methoden. Beispielsweise führt die Standardisierung von Dokumentation nicht nur zu anwenderfreundlichen Informationsprodukten, sondern spart während und nach dem Redaktionsprozess obendrein Ressourcen. Idealerweise wird ein Redaktionsleitfaden genutzt, um den Standard einzuhalten. Er regelt etwa den Aufbau von Dokumenten, organisatorische Details des Redaktionsworkflows – und natürlich die Verwendung einer einheitlichen Terminologie. Der Terminologieleitfaden kann also Teil des Redaktionsleitfadens sein.
Wenn unterschiedlicher Input in Form eines Lasten- und Pflichtenhefts, einer Risikobewertung oder Unterlagen aus der Produktentwicklung Grundlage für die Doku sind, ist terminologische Inkonsistenz vorprogrammiert. Die Technische Redaktion muss Variationen wie „Abdeckplatte“ und „Abdeckungsplatte“ erkennen und vereinheitlichen. Rückfragen an Fachleute oder Produktmanager beinhalten auch Terminologiefragen, ob z. B. „Vorschub“ und „Vorschubweg“ im speziellen Kontext nicht dasselbe meinen. Oft entsteht auch erst mit der Dokumentation das Bedürfnis, konkrete Teile am Produkt zu benennen. Als Richtlinie für diese Teilaufgaben des Redaktionsalltags hält der Terminologieleitfaden neben dem Prozess noch konkret fest, wie die Technische Redaktion bei Neubildungen, abweichenden Schreibweisen und Synonymen verfahren soll. Und am besten pflegen Sie den Leitfaden dort, wo Sie ihn brauchen: direkt im Redaktionssystem.
Schwieriger wird es dann, wenn noch weitere Sprachen ins Spiel kommen, etwa bei der Erstellung der Doku in einer Fremdsprache oder bei Rückmeldung von Landesvertretungen zu den Übersetzungen. Wie werden all die mehrsprachigen Entsprechungen und Zusatzinfos zu Benennungen am besten verwaltet und wer macht das? Haben Sie die diese Fragen geklärt, halten Sie die Antworten am besten gleich im Terminologieleitfaden fest.
Szenario 3: Corporate Identity im Unternehmen
Für viele Unternehmen ist die Verwendung konsistenter Benennungen Sisyphusarbeit – zumindest gefühlt. Egal, ob es um Publikationen, Blogartikel, Kundenschreiben oder den internen Austausch geht, die Qualität von Texten wirkt sich nicht nur auf Markenwahrnehmung, sondern auch auf Kaufentscheidungen aus. Uneinheitlichkeit kratzt an der Corporate Identity und führt zu Irritationen und vermeidbaren Rückfragen, die im Kundensupport landen.
Stellt man die Terminologie unternehmensweit zur Verfügung, lässt sich leicht nachsehen, wie Komposita gebildet werden oder wie mit Fugen umzugehen ist. Veranschaulicht wird das mit unternehmensinternen Beispielen, denn entscheidend ist hierbei, in der Sprache der Anwenderinnen und Anwender zu sprechen. Auch Fauxpas lassen sich vermeiden: Die korrekten Schreibweisen von häufig verwendeten Produkt- und Markennamen können Sie ebenso im Terminologieleitfaden dokumentieren (auch wenn er dann wahrscheinlich „Corporate Style Guide“ genannt wird).
Und noch eine Situation sollten Sie im Blick haben: Im Unternehmen können unterschiedliche Bedürfnisse und Kriterien für Benennungen aufeinanderprallen. Fachlich korrekt und präzise wäre eher „Lackfüllstandskontrollensensor“, für das Marketing wäre ein kreativerer und internationaler Markenname wie „SmartLVL-Sensor“ schick, und die Technische Redaktion möchte bei „Füllstandssensor“ mit Fugen-s bleiben. Soll man sich unternehmensweit auf eine Benennung einigen oder darf jeder bei seinem Favoriten bleiben? Wird das im Terminologiezirkel mit allen Betroffenen diskutiert? Wer wird eingeladen und wer macht danach was?
Der Terminologieleitfaden in der Praxis – ein Fazit
Der Terminologieleitfaden ist zum einen die Dokumentation der festgehaltenen Entscheidungen und Prozesse, zum anderen ein Nachschlagewerk und Instrument für die Zusammenarbeit im Team. Statt den Leitfaden verstauben zu lassen, kommt er erst als Basis für eine gepflegte Terminologiedatenbank richtig zur Geltung. Die wiederum ermöglicht nämlich erst den sinnvollen Einsatz wichtiger Werkzeuge für die Technische Redaktion, wie die Autorenunterstützung in SCHEMA ST4 und Controlled-Language-Checker wie Congree, durch die aus der ehemaligen Sisyphusarbeit Terminologie ein Klacks wird.