Einfache Sprache verbinden viele eher mit Behördentexten oder Informationsangeboten für Menschen mit geringen Lesekenntnissen. Aber Einfache Sprache hat auch einiges mit Digitalisierung zu tun, denn sie bildet eine Grundlage für die Contentstrategie digitaler Informationsangebote.
Digitalisierung und Sprache
Digitalisierung umfasst sämtliche Aspekte der Unternehmenstätigkeit (aber natürlich auch anderer Bereiche, wie z. B. die Automatisierung von Verwaltungsabläufen). Bei der Produktentwicklung steht oft das Ziel eines digitalen Zwillings im Mittelpunkt der Bemühungen.
Den meisten Unternehmen ist mittlerweile auch bewusst, dass sprachliche Inhalte einen wichtigen Aspekt des digitalen Zwillings darstellen. Man spricht hier vom digital information twin. Dieser Aspekt des digitalen Zwillings bündelt – vereinfacht gesagt – alles, was es über das Produkt zu wissen gibt. Für die Klassifikation und Steuerung dieser Inhalte gibt es gut ausgebaute Standards wie iiRDS und eClass.
Digitalisierung und nutzbare Inhalte
Allerdings sagen diese Standards nur wenig über die inhaltliche Qualität des Contents aus, der in den digitalen Informationszwillingen verwendet werden soll. Sie sorgen lediglich dafür, dass die Inhalte formalen Anforderungen entsprechen und maschinell nutzbar sind. Digitalisierung heißt aber nicht, Content nur digital verfügbar zu machen, sondern vor allem auch, die Inhalte für Nutzer:innen verwendbar zu machen. Um das zu erreichen, braucht es einen Standard für die Contentqualität.
Solche Standards gibt es durchaus. In der Technischen Dokumentation sind DITA und Funktionsdesign zwei der bekanntesten. Diese sind in manchen Redaktionen mittlerweile State of the Art. Sie legen Standards für die wichtigsten Dokumente fest und werden oft in Redaktionsleitfäden festgehalten oder direkt in den Redaktionssystemen hinterlegt.
Leider sind sie in anderen Abteilungen aber kaum bekannt. Das klingt zunächst vielleicht nur nach einem kleineren Problem. Man müsste die Standards in diesen Abteilungen ja nur bekannt machen, um sie für den digitalen Zwilling zu nutzen. Allerdings ist es nicht so einfach, wie man im ersten Moment denken würde. Contentstandards aus der Technischen Dokumentation sind Profi-Tools. Sie erfordern einiges an linguistischen Fertigkeiten, an Wissen über die Architektur von Texten, an Kenntnissen zur Informationstypisierung und vieles mehr. Für Menschen, die sich nur gelegentlich mit der strukturierten Erstellung von Texten beschäftigen, sind diese Standards oft zu komplex und die Konzepte dahinter nur schwer verstehbar.
Digitalisierung und Einfache Sprache
Dies ist der Punkt an dem nun Einfache Sprache ins Spiel kommt bzw. kommen kann. Einfache Sprache ist ein Konzept, das weltweit seit vielen Jahren entwickelt und angewandt wird. Es richtet sich an Menschen in den unterschiedlichsten Bereichen: Gelegenheitsautor:innen ebenso wie professionelle Schreiber:innen; Technische Redaktionen ebenso wie Behörden. Es findet in Zeitungsartikeln Anwendung ebenso wie in wissenschaftlichen Beiträgen.
Mit der ISO DIN 24495-1 liegt nun eine internationale Norm vor, die die Prinzipien für sprachliche Qualität und Nutzbarkeit festlegt. Ihr breiter Anwendungskreis umfasst auch Personen mit teilweise geringen redaktionellen Kenntnissen. Sie richtet sich aber auch an Technische Redaktionen.
Zudem befindet sich für das Deutsche die Norm DIN 8581-1 in den letzten Bearbeitungsschritten. Sie behandelt zahlreiche sprachliche Phänomene und ordnet diese für Autor:innen ein. Die beiden Normen bieten dadurch einen Rahmen, der die gemeinsame Erstellung von Content für die Digitalisierung auch über Abteilungsgrenzen hinweg erleichtern kann. Durch den internationalen Ansatz ist Einfache Sprache auch als Basis für die Contenterstellung in multinationalen Unternehmen geeignet und kann den Ausgangspunkt für viele Sprachen bieten.
Einfache Sprache löst also für die Digitalisierung ein Problem, das viele Unternehmen haben. Sie stellt den Rahmen für die Contentqualität des digital information twin, ohne zu stark auf proprietäre und komplexe Modelle zu setzen, die Gelegenheitsautor:innen oft überfordern und die Zusammenarbeit dadurch eher behindern als fördern.
Kurz gesagt: Einfache Sprache macht digitale Inhalte einfach.