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Digitalisierung der Dokumentation, digital information twin, Künstliche Intelligenz – Digitalisierung ist nicht erst seit gestern ein Trendthema in der Technischen Redaktion. Digitalisierung – da sind sich die meisten Redaktionen einig – ist der entscheidende Erfolgsfaktor für die Technische Dokumentation der Zukunft. Dennoch herrscht bei vielen Redaktionen große Ratlosigkeit. Das Thema ist komplex und hat viele Facetten. Viele Digitalisierungsprojekte, so hören wir das immer wieder, scheitern und sorgen für Ernüchterung.
Deshalb möchten wir hier einmal die typischen Aspekte einer gelungenen Digitalisierung vorstellen, wie sie sich in vielen Beratungssituationen und Projekten bestätigt haben. Denn durch ein geplantes, schrittweises Vorgehen ist der Weg zur Digitalisierung sehr viel einfacher.
Digitalisierung auf den Punkt
Bringen wir zunächst einmal ein wenig Klarheit in den schillernden Begriff Digitalisierung. Digitalisierung ist in unserer Sicht eine enge Integration der Produktinformation in der sogenannten „Verwaltungsschale“ des digitalisierten Produkts. Einfacher gesagt: Die Produktinformation wird eng in die IT-Komponenten des Produkts eingebunden. Wir sprechen hier auch vom „digital information twin“. Für den Nutzer des Produkts ist diese Integration kein Selbstzweck. Sie soll sich in einer besseren Benutzbarkeit des Produkts und im Erschließen von neuen Funktionalitäten zeigen.
Technische Redaktion muss also immer vom digitalisierten Endprodukt gedacht werden und nicht nur als Anreicherung des Bestehenden mit einigen digitalen Elementen. Deshalb ist auch die Digitalisierung der Redaktion und Redaktionsprozesse selbst von enormer Wichtigkeit. Digitalisierung ändert Arbeitsweisen und Rollen in der Technischen Redaktion. Diese Veränderung bedeutet zwar Aufwand; sie führt auf mittlere Sicht aber zu einem reibungsloseren, sichereren und vor allem angenehmeren Arbeiten.
Verwaltungsschale
Die Verwaltungsschale ist ein herstellerübergreifender und branchenneutraler Standard für die Bereitstellung von Informationen und für die Kommunikation in einheitlicher Sprache. Geräte oder Komponenten können über ihre Verwaltungsschale identifiziert werden, stellen hier Informationen bereit und kommunizieren mit anderen „Dingen“ (Internet of Things). Im Englischen sprechen wir von „Asset Administration Shell“ (AAS).
Auf dem Weg zum digitalen Content
Wie kommt man aber nun zum großen Fernziel Digitalisierung? Beginnen wir zunächst einmal mit dem Content selbst und sehen uns danach erst die redaktionellen Prozesse an.
Grundlage jeder Digitalisierung ist die Standardisierung des Contents. Individuell geschriebene Anleitungen, uneinheitliche Terminologie, ein fehlendes Inhaltsgerüst für die Dokumentation – solche Dinge kommen in einigen Unternehmen immer noch vor. Auch manche internationalen Unternehmen arbeiten im Jahr 2023 noch ohne eigene Redaktion. Das Ergebnis sind uneinheitliche Dokumente. Zwar verzeihen Kunden diese Fehler (leider immer noch) oft. Für die Digitalisierung der Technischen Dokumentation ist ein solcher Contentbestand aber keine Basis.
Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Modularisierung des Contents. Im Wesentlichen geht es hier darum, die althergebrachte Kapitel-Struktur der Dokumentation aufzulösen. Stattdessen soll die Dokumentation in Topics organisiert werden – kleine, in sich geschlossene Inhaltseinheiten, die für sich allein stehen können, die sich vor allem aber gut mit anderen Einheiten kombinieren lassen.
Stehen die Topics, so gilt es die Inhaltsbausteine zu klassifizieren. Mit einer gut durchdachten Klassifizierung „weiß“ jeder Inhaltsbaustein, zu welchem Produkt er gehört, zu welchen Anleitungstypen, für welche Zielgruppen u. v. m. Dies lässt sich durch Metadaten, Taxonomien und Ontologien erreichen. iiRDS – der Branchenstandard für die Digitalisierung – bietet hier einen Rahmen, in dem sich alle wesentlichen Aspekte der Klassifizierung abbilden lassen.
Digitalisierte Redaktionsprozesse
Sobald ein Konzept besteht, wie der Content zu digitalisieren ist, wendet sich der Blick Richtung Redaktion und Redaktionsprozesse. Denn solange man sich nur Gedanken über den Content macht, besteht immer die Gefahr, dass Digitalisierung nur eine bessere Variante des Bestehenden ist. Digitalisierung ist jedoch eine Veränderung des Paradigmas, wie Dokumentation hergestellt wird. Deshalb muss Digitalisierung sich auch in den Redaktionsprozessen auswirken.
Ein ganz wichtiger Aspekt dieser Veränderungen ist die (weitestmögliche) Automatisierung der redaktionellen Prozesse. Hierher gehört die Identifikation von Datenquellen und die Definition von Schnittstellen zu diesen Quellen. Hierher gehören automatisierte Redaktionsworkflows (ein Beispiel haben wir in unserem Webinar zu automatisierten Übersetzungsesporten gezeigt) und die automatische Übernahme und Weiterverteilung von Inhalten (z. B. zu Ersatzteilkatalogen oder Marketingbroschüren). Hierher gehört aber auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz für Erstellung, Klassifikation oder Übersetzung von Inhalten.
Eine weitere Stufe auf dem Weg zur Digitalisierung ist das Thema Content Delivery. Für alle Nutzer und Nutzerinnen die richtige Information im richtigen Medium zur richtigen Zeit: Das ist der Anspruch, der an Content Delivery zu stellen ist. Content Delivery führt zu vielen positiven Effekten für die Zielgruppen der Dokumentation, ermöglicht z. B. predictive maintenance oder eine enge Integration der Dokumentationsinhalte in Produkte und Anlagen.
Der letzte Digitalisierungsaspekt für die Redaktion liegt in der Evaluation der Prozesse. Oft existieren in technischen Redaktionen nur wenige Kennzahlen, mit denen sich der Erfolg der eigenen Arbeit messen und steuern lässt. Durch ein gutes Kennzahlensystem gewinnt die Redaktion ein Cockpit, das sich individuell an die Bedürfnisse der Redaktion anpassen lässt und das schnelle Rückmeldung für die Steuerung der automatisierten Prozesse und Content Delivery gibt.
Digitalisierung hat viele Aspekte. Erst in der Gesamtschau der einzelnen Themen wird klar, wie sich ein Weg zum Fernziel realisieren lässt. Es lohnt sich, diesen Weg Schritt für Schritt zu gehen. Denn jeder Schritt der Digitalisierung bietet jeweils eigene Benefits. Wichtig ist nur, sich auf den Weg zu machen und das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.
Foto: Midjourney