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Vor Kurzem veröffentlichte die tekom das Whitepaper „From Manuals to Information on Demand with iiRDS“. Das Whitepaper gibt einen Überblick über Nutzen und Features des Austausch-Standards für intelligente Information und geht neben unterschiedlichen Use Cases auch auf Auswirkungen auf die Arbeit der Technischen Redaktion ein. Auch sonst findet im Umfeld der tekom viel Kommunikation zum Thema iiRDS statt. Vor allem Hersteller, die den Standard unterstützen (werden), oder Dienstleister, die ihm zum bestmöglichen Einsatz verhelfen (wollen), publizieren regelmäßig Beiträge.
Fragt man konkret nach, finden sich in der Praxis aber relativ wenige produktive Anwendungen. Auch das Interesse an iiRDS bei Google Trends verharrt seit Jahren auf niedrigem und lokalem Niveau. Gleichzeitig stellen sich aber die meisten produzierenden Unternehmen mit viel Energie der digitalen Transformation, d. h. auch das Interesse an intelligenter Information und damit an dem eigens dafür entwickelten Austausch-Standard sollte eigentlich ebenso wachsen.
Bedeutung intelligenter, digitaler Informationen
„Intelligente Information“ verspricht im Idealfall den direkten Zugriff auf die gerade benötigte Unterstützung hier, jetzt, für dieses Gerät, in dieser Situation, für diesen Anwender in seiner Sprache. Kein Suchen, kein Blättern, das Gerät kennt seinen Betriebszustand, sein digitaler Zwilling erkennt die jeweiligen Anwender:innen und zeigt auf seinem Display genau die Handlungsanweisung an, die z. B. für anstehende Wartungsaufgaben notwendig sind. Eine Liste benötigter Werkzeuge und Materialien wird dazu natürlich auch angezeigt. Unser Content-Delivery-Showcase zeigt sehr schön, wie das in der Praxis aussehen kann.
Der Standard iiRDS ist 2016 als technologische Basis für solche digitale, intelligente Information angetreten. Aktuelle Gesetzesentwicklungen, z. B. bei der Maschinenrichtlinie, erleichtern gleichzeitig den Umstieg auf digitale Publikationsformen für technische Produktinformationen. Und der Standard hat auch einigen Nutzwert zu bieten.
Nutzen von iiRDS
Um die oben aufgemalte Vorstellung umsetzen zu können, muss der publizierte Content einige Voraussetzungen erfüllen:
- Informationen müssen dafür modularisiert, d. h. in inhaltlich geschlossene Bausteine aufgeteilt werden.
- Diese Bausteine müssen nach abfragbaren Kriterien (z. B. Zielgruppe, Gerät, Informationsart, Lebenszyklus …) klassifiziert werden.
- Um sich generisch verarbeiten zu lassen (durch Content-Delivery-Systeme oder andere Dienste), ist eine umfassende Standardisierung von Formaten und Strukturen notwendig.
Diese Aufgaben sind jede für sich eine große Herausforderung – insbesondere wenn die Technische Redaktion sie neben dem Tagesgeschäft versucht umzusetzen. Und an dieser Stelle stehen derzeit sehr viele Technische Redaktionen. Jede Hilfestellung kommt dabei sehr gelegen, und da kommt iiRDS ins Spiel.
iiRDS bietet in dieser Situation eine gute Basis, um die Systematisierung voranzutreiben. Der Standard bietet ein einheitliches Vokabular, um die wichtigsten allgemeingültigen Klassifizierungen einheitlich vorzunehmen, wie vorgefertigte Taxonomien für Informationsarten oder den Produktlebenszyklus. Besonders das einheitliche Modularisierungskonzept „Package – Document – Topic – Fragment“ ist von Beginn an hilfreich.
Auch in der Branche typische Beziehungen zwischen einzelnen Bausteinen wie „Vorgang X benötigt Werkzeug Y“ – wir sprechen hier von Ontologie – lassen sich ableiten und abbilden. Damit muss man das Rad nicht neu erfinden, sondern kann das vorhandene Gerüst hernehmen, um den eigenen Content „intelligent“ umzubauen. Dort, wo ein Standard keine Vorgaben machen kann, z. B. bei individuellen Klassifikationsmerkmalen wie der eigenen Produkt-Taxonomie, lässt iiRDS die entsprechenden Freiheiten in Form von eigens definierten Metadaten.
Die Grenzen von iiRDS
Aber neben dem Nutzen hat der Standard natürlich auch seine Grenzen.
Der Grundgedanke von iiRDS ist die Darstellung von Information, das Auffinden, das Organisieren. Moderne Dokumentation geht aber einen Schritt weiter in Richtung Interaktion mit der Information. Das gibt der Standard momentan (noch) nicht her, womit er aber nicht alleine steht. Diese Grenze findet sich auch bei anderen proprietären Content-Delivery-Formaten. Es liegt also nicht am Standard, sondern eher an der Denkweise in unserer Branche, die vom Blatt Papier kommend auch erst die Fülle an digitalen Möglichkeiten erfassen, begreifen und umsetzen muss.
Eine weitere Grenze findet sich auf der Systemseite. Viele Software-Hersteller setzen natürlich (lieber) auf ihre eigenen, proprietären Formate. Einen weiteren Standard zu unterstützen, macht extra Arbeit, die erst einmal bezahlt werden will. Und natürlich möchte kein System gerne austauschbar sein und so kocht doch jeder gerne sein eigenes Süppchen.
Fazit
Den „intelligent information Retrieval and Delivery Standard“ kurz iiRDS kann man aus mehreren Blickwinkeln betrachten.
Zum einen stellt er ein Gerüst für standardisierte Modularisierung und Klassifizierung von Informationen bereit. Das mag unspektakulär klingen, bedeutet für sich alleine aber bereits eine große Hilfe für Technischen Redaktionen, die wirklich intelligente, digitale Informationen bereitstellen wollen. Hier ist iiRDS eine sehr gute Richtschnur, an der man sich beim Modellieren orientieren kann.
Zum anderen spezifiziert der Standard ein konkretes Austauschformat für Informationspakete. Das mag für Hersteller von Redaktions- und Content-Delivery-Lösungen interessant sein, scheint aber im Augenblick noch keine große Marktrelevanz zu besitzen.
Und wie oben bereits geschrieben: Mein UX-Anspruch „Mehrwert für den Anwender“ steht noch zu wenig im Fokus, weil zu wenig vom User aus gedacht wird (und auch oft das HTML-Frontend-Know-how fehlt). Haben Sie sich unseren Content-Delivery-Showcase angeschaut? Mit reinem iiRDS wäre eine Umsetzung nicht möglich gewesen. Damit verpasst man doch einiges an tollen Möglichkeiten, oder?