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Vor nicht allzu langer Zeit hat die IEC den iiRDS als „Öffentlich verfügbare Spezifikation“ (Publicly available specification, PAS) veröffentlicht. Damit ist ein erster Schritt getan, um den Standard über die Branche der Technischen Kommunikation hinaus bekannt und relevant zu machen. Parallel dazu beginnt der aus der Verfahrenstechnik stammende Standard VDI 2770 in der Branche Fuß zu fassen.
Beide Standards verfolgen im Grunde dasselbe Ziel: Sie sollen es ermöglichen, Produktinformationen über Zulieferer und Hersteller hinweg in digitaler Form bereitzustellen und nach Bedarf abrufbar zu machen. Beide Standards haben viele Gemeinsamkeiten – die zuständigen Gremien stehen in Kontakt miteinander und koordinieren sich – fokussieren aber im Detail auf unterschiedliche Aspekte des Prozesses. Doch bevor wir auf die Unterschiede näher eingehen: Wofür brauchen wir solche Branchenstandards?
Wofür brauchen wir Standards?
Mit der aktuell laufenden „zweiten Welle der Digitalisierung“ verlässt die Technische Kommunikation ihre friedliche Insel und integriert ihre Prozesse und Erzeugnisse in die digitalen Daten- und Arbeitsflüsse des gesamten Unternehmens.
Das bedeutet für die Technische Redaktion, dass sie keine nackten Produktinformationen mehr ausliefern kann. Sie muss nun dafür Sorge tragen, dass die bereitgestellten Einheiten oder Dokumente die benötigten Aussagen über sich selbst enthalten, die sie in der digitalen Welt zuordenbar oder auffindbar machen. Es ist jetzt also Aufgabe der Technischen Redaktion, identifizierende und klassifizierende Metainformationen mitzuliefern.
Das Zuordnen und Auffinden funktioniert natürlich nur dann richtig, wenn bereitstellende und abnehmende Instanzen sich darüber einig sind, welche Informationen da wie ausgetauscht werden. Dazu kann man sich innerhalb des Unternehmens auf ein gemeinsames Klassifikationsmodell einigen.
Noch effektiver ist es aber, „über Zulieferer und Hersteller hinweg“ auf ein gemeinsames Modell zurückzugreifen und damit einen übergreifenden Zugriff auf die Produktinformationen aller Maschinen, Komponenten und Bauteile einer Anlage zu haben. Und dafür brauchen wir branchenweite Standards.
VDI 2770
Der Standard VDI 2770 „Betrieb verfahrenstechnischer Anlagen – Mindestanforderungen an digitale Herstellerinformationen für die Prozessindustrie“ zielte ursprünglich darauf ab, große Mengen von Dokumenten effizient kategorisieren und wieder auffindbar ablegen zu können. Die Umsetzung dieses Konzepts ist ein ZIP-Archiv, das neben einem PDF/A-Dokument eine XML-Struktur mit den für eine Einordnung benötigten Dokument-, Produkt- und Herstellerdaten enthält.
Außerdem soll eine standardkonforme Dokumentation für eine komplexe Anlage die Dokumentation ihrer Teile enthalten. Das erlaubt der Standard auf einfache Weise, indem das ZIP-Archiv wiederum standardkonforme VDI-2770-Pakete enthalten kann, die wiederum … (die Informatiker unter Ihnen werden erfreut eine Rekursion erkennen) und so weiter.
iiRDS
Im einfachsten Fall lassen sich mit iiRDS ähnliche Informationseinheiten wie im VDI 2770 erzeugen. Das Paketformat ist ein ZIP-Archiv, PDF/A als Dokumentformat ist als Alternative vorgesehen, und die zum Standard gehörenden Metadaten sind bis auf Details auf die des VDI 2770 abbildbar. Allerdings geht der iiRDS viel mehr ins Detail.
Die Idee hinter dem Standard für „intelligente Information“ ist es nämlich, gezielt und abhängig von Kontextinformationen genau die Information bereitstellen bzw. abrufen zu können, die jetzt gerade von diesem Nutzer benötigt wird.
Dafür geht iiRDS tiefer bei der Modularisierung bis auf die Ebene einzelner Topics und Fragmente und bietet flexiblere Möglichkeiten, eigene oder externe Klassifizierungsmodelle wie e@Class einzubinden. Außerdem erlaubt das im Format RDF (Resource Description Format) gepflegte Klassifikationsmodell komplexere Beziehungen zwischen Objekten herzustellen wie „X wird benötigt für Y“ oder „A hat als Thema B“.
Und jetzt?
Das ist der Weg. Weg von gescannten PDFs, vom Kampf mit Zulieferdokumenten, vom Suchen und Finden in dicken Ordnern. Niemand hat mehr Zeit dafür. In den nächsten Jahren werden die Boomer in Rente gehen, also die Menschen, die sich besonders gut auskennen, die Maschinen, Produkte, Prozesse aus dem Effeff kennen, weil sie sie mit aufgebaut haben. Prozesse werden dann entweder effizient oder aber eingestellt.
Das heißt für die Technische Kommunikation: Früher oder später müssen Inhalte klassifiziert und digital bereitgestellt werden, weil es nicht mehr anders gehen wird.
Mein Tipp: Orientieren Sie sich von Anfang an an anerkannte Branchenstandards für die Digitalisierung, wenn Sie ein Klassifikationsmodell aufbauen. Stimmen Sie sich im Unternehmen ab. Sprechen Sie mit Ihren Zulieferern und Ihren Abnehmern. Und lassen Sie sich im Zweifelsfall frühzeitig beraten.
Foto: Call Me Fred auf Unsplash