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Wenn es um die Digitalisierung in der Technischen Redaktion geht (oder auch ganz allgemein um Industrie 4.0) fällt ein Begriff immer wieder: digital twin. Der sogenannte digitale Zwilling klingt als Begriff zunächst recht anschaulich. Doch was verbirgt sich hinter dem Schlagwort und wie kommt hier die Technische Redaktion ins Spiel?
Was ist ein digitaler Zwilling?
Sehen wir uns zunächst einmal an, was ein digitaler Zwilling eigentlich ist. In seiner vollen Ausbaustufe beschreibt digital twin ein Konzept (und dessen Realisierung), um Geräte oder auch ganze Anlagen als digitales Modell vollständig abzubilden. Daneben gibt es auch digitale Zwillinge, in denen nur Teilaspekte eines Produkts abgebildet sind.
Für einen digital twin wird zunächst jedes verbaute Element des Geräts mit seinen relevanten Daten erfasst. Das können sehr unterschiedliche Daten sein, z. B. Einbauzeitpunkt, Produktbezeichnung, Hersteller, Lebensdauer, Wartungsintervalle u. v. m.
Außerdem werden sämtliche Daten erfasst, die durch Sensoren des Geräts ermittelt werden. Das können externe Signale sein, z. B. ob eine Lichtschranke des Geräts unterbrochen wurde. Zum überwiegenden Teil sind das aber interne Daten, z. B. die Temperatur eines Ventils oder wie oft ein Schalter ausgelöst wurde.
Bisher ist der digitale Zwilling aber nichts weiter als eine Datensammlung. Deshalb kommt nun noch die Möglichkeit hinzu, mit den ausgelesenen Gerätezuständen automatisch Aktionen einzuleiten. Zum Beispiel könnte der digitale Zwilling eine Bestellung veranlassen, wenn ein Bauteil meldet, dass es sich überhitzt und bald ausfallen wird.
Zu guter Letzt: Wenn all dies zusammengekommen ist, fehlt dem digitalen Zwilling noch eine Möglichkeit, dass er von außen erreicht werden kann bzw. über den digitalen Zwilling der „reale“ Zwilling gesteuert werden kann. Deshalb benötigt der digitale Zwilling Schnittstellen zurück in das reale System, sodass sich das Abbild und das reale Gerät austauschen können.
Der digitale Zwilling oder digital twin ist somit ein vollständiges virtuelles Abbild eines Geräts (bzw. Maschine, Anlage, Fahrzeug etc.), das Messdaten aus dem realen Vorbild empfangen und Aktionen beim realen Gegenstück auslösen kann.
Wie sieht ein digitaler Zwilling in der Realität aus?
Zugegeben, das ist immer noch ein wenig abstrakt. Ich will deshalb einmal das Konzept des digitalen Zwillings anhand eines einfachen realen Beispiels ein wenig anschaulicher machen. Tatsächlich sind digitale Zwillinge (oder zumindest Teilrealisierungen von digitalen Zwillingen) heute gar nicht mehr so selten.
Ein solches Beispiel ist ein moderner Pkw. Ein Auto hat heutzutage eine Fülle von Bauteilen und Sensoren, die Auskunft über alle möglichen Zustände des Fahrzeugs und seiner Teile geben. Mit einer App lassen sich diese Daten abrufen: Welcher Motor ist in meinem Fahrzeug verbaut? Wie hoch ist die zulässige Zuladung? Wann wurde der letzte Fahrzeugservice vorgenommen? Sensoren melden laufend alle möglichen Daten: Wie hoch ist der aktuelle Luftdruck der Reifen? Welche Temperatur hat der Motor? Fährt das Auto?
Im Prinzip ist also diese App nichts anderes als ein einfacher digitaler Zwilling, denn auch die Funktion Aktionen automatisch auszulösen ist in der App verbaut. Steht etwa ein Service-Termin an, dann warnt mich die App. Oder wenn ich mich bei geöffnetem Fahrzeug weiter als 20 Meter entferne, fragt die App nach, ob sie die Türen verriegeln soll.
Und damit ist auch der letzte Aspekt eines digitalen Zwillings realisiert. Denn mit modernen Apps kann ich nicht nur Daten abrufen, sondern auch steuernd in das Fahrzeug eingreifen, z. B. von überall die Türen verriegeln oder zu einem bestimmten Zeitpunkt die Klimaanlage anschalten.
Diese Funktionalitäten entsprechen im Wesentlichen also einem digitalen Zwilling.
Was ist die Rolle der Technischen Redaktion beim digitalen Zwilling?
Bisher haben wir viel über Bauteile, Sensoren und Daten gehört. Doch wie wird dies für die Technische Redaktion relevant? Hier geht es darum, den digital twin zum digital information twin auszubauen. Neben den einfachen Daten liegen ja zusätzlich zu jedem Bauteil eine Fülle von Inhalten aus der Technischen Redaktion vor: Wie muss dieses Teil eingebaut werden? Welche Gefahren können beim Umgang mit dem Gerät auftreten. Auch die Frage nach zulässigen Schmiermitteln u. v. m.
Durch die Integration dieser Inhalte in den digital twin erweitern sich die Möglichkeiten für den Benutzer ganz erheblich. Denn nun werden die Daten kombiniert mit der Verwendung vor Ort. Dadurch lassen sich integrierte Arbeitsgänge aufbauen, bei denen z. B. das Gerät automatisch einen Wartungstechniker ordert und diesem dann die passenden Wartungsinstruktionen bereitstellt. Der Wartungstechniker wiederum protokolliert am Gerät selbst seine Wartungsmaßnahmen. Der digital information twin ist somit eine weitere Ausbaustufe des digital twins, der das Gerät besser für die Verwendung durch Menschen erschließt.
Digitale Zwillinge – gleichgültig, ob digital twin oder digital information twin – sind mächtige Werkzeuge, mit denen per Software ein nahtloser Zugriff auf Geräte möglich wird. Die Chancen, die sich dadurch ergeben, sind extrem vielfältig. Allerdings gilt es, den eigenen Content für die Verwendung im digital information twin aufzubereiten. Wie das funktioniert, zeigen wir in unserem Blogpost „Vom Standard zur Digitalisierung“.