Seit ich selbst an einer DIN-Norm mitarbeite, habe ich noch mehr Respekt vor dieser Textsorte. Hinzu kommt, dass die DIN 5008 fast schon ein Klassiker der deutschen Normen ist, beinahe auf einer Stufe mit DIN A4. Unzählige Schreibprofis haben die sogenannte „Briefnorm“ in Schulungen oder in ihrer Ausbildung kennengelernt. Gibt es dazu also etwas Neues zu sagen?
Nun ja, zunächst einmal ist mit der DIN 5008:2020-03 eine neue Ausgabe erschienen und das ist ja schon an sich eine Nachricht. Und dann hat sich doch auch einiges getan. Normarbeit ist ein langwieriger Prozess und das verträgt sich nicht gut mit Dingen wie den „Schreib- und Gestaltungsregeln für die Text- und Informationsverarbeitung“ (so der offizielle Titel der Norm). Denn die technische Entwicklung eilt hier der Norm schnell Jahre voraus.
Mittlerweile hat sich in den Textverarbeitungsprogrammen aber ein gewisser Standard eingestellt. Die gröbsten Layout-Sünden („Comic Sans“) sieht man heute kaum mehr. Ein guter Zeitpunkt also, um dieses Plateau auch in der Norm abzubilden.
In über 20 Kapiteln beschreibt die Norm – teils sehr detailliert – Standards für die Gestaltung von Texten. Briefe spielen dabei nur noch eine untergeordnete Rolle, eine sicher angemessene Entscheidung, war doch der Versand von Briefen in den letzten Jahren stark rückläufig. Dafür sind nun Empfehlungen zu Präsentationen oder zur Dateiablage enthalten. Für die Technische Redaktion besonders spannend sind die Abschnitte zu Diagrammen und Abbildungen, Zahlen- und Texttabellen oder zu Rechenzeichen, Maßangaben und Formeln.
Die Regeln sind – wie zu erwarten – produktneutral formuliert (Word-Tipps sucht man hier vergebens), aber auf der Höhe der Zeit, was die aktuellen Gestaltungsmöglichkeiten in Textverarbeitungs- und Textsatzsoftware angeht. Natürlich sind die Regeln oft sehr kleinteilig und in manchen Fällen wird man aus guten Gründen auch von mancher Empfehlung abweichen. Aber gerade wegen ihres Detaillierungsgrads helfen sie Profis Fragen zu lösen, auf die Laien und Laiinnen gar nicht kommen. Ein Beispiel gefällig? Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie viel Abstand eigentlich in einem Inhaltsverzeichnis zwischen Abschnittsnummer und Überschrift einzuhalten ist? Auf Seite 39 der Norm finden Sie die Antwort. Es sind in der Regel 0,5 cm.
Mein Fazit: Die Norm ist im jetzigen Zustand wirklich auf der Höhe der Zeit und hilft Schreibprofis bei vielen wichtigen Aspekten der Gestaltung. Positiv hervorheben möchte ich auch noch den umfangreichen Anhang mit tabellarischen Überblicksdarstellungen zu einzelnen Regeln sowie vielen Gestaltungsbeispielen. Wer seine Print-Dokumentation professionell gestalten will, kann auf diese Norm schlicht und einfach nicht verzichten. Und wer den hohen Preis für DIN-Normen scheut: Die Norm gibt es auch in einer unkommentierten Fassung zum erschwinglichen Preis.
Hinweis: Das hier besprochene Buch wurde uns vom Verlag kostenfrei als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Der Verlag hat keinerlei Einfluss auf den Inhalt dieser Besprechung genommen.
Literatur: Deutsches Institut für Normung e.V. (Hrsg.): DIN 5008:2020-03, Schreib- und Gestaltungsregeln für die Textverarbeitung. Beuth Verlag, Berlin, 2020.