Inhaltsverzeichnis
„Woher wissen Sie eigentlich, dass dieser Warnhinweis die Stufe GEFAHR hat?“. In unserer Beratung kommt es nicht selten vor, dass Technischen Redakteur:innen bei unseren Kunden diese eigentlich einfache Frage erst einmal gar nicht beantworten können. Ja, warum steht denn da ein GEFAHR-Warnhinweis und nicht besser VORSICHT? Weil der in der Vorgänger-Doku auch schon drin war? Weil wir den beim Schreiben selbst für richtig gehalten haben? Weil vielleicht in letzter Minute jemand aus der Entwicklung oder Konstruktion meinte, der müsste da noch rein? Nein, hier spielt ausschließlich die Risikobeurteilung eine Rolle.
Nicht Ihre Verantwortung
Diese erst einmal unbequeme Frage hat für Sie als Redakteur:innen eine sehr schöne Auflösung: Das festzulegen ist gar nicht Ihre Aufgabe. Um zu ermitteln, welche Gefahrenstufe ein Warnhinweis hat, müssen Sie nur nachlesen. Und zwar in einer Risikobeurteilung oder – je nach Produktklasse – vielleicht auch in einem anders betiteltem Dokument. Jedenfalls aber in einem Dokument, in dem Ihre Entwicklung/Konstruktion transparent niederlegt, in welchen Situationen welche Gefahren von einem Produkt ausgehen. Dazu gehört neben wirksamen Maßnahmen zur Vermeidung der Gefahr natürlich auch die Gefahrenstufe, von der wir gerade gesprochen haben.
Sie haben das Recht
Um es also noch einmal ganz klar zu sagen: Quelle für die Gefahrenstufe und alle weiteren Informationen, die Sie zur sicheren Instruktion Ihrer Produktanwender:innen benötigen, ist die Konstruktion/Entwicklung in Ihrem Unternehmen. Diese Informationen bereitzustellen, ist eine auch normativ und gesetzlich geforderte Pflicht.
Für Sie als Redaktion hat das mehrere angenehme Konsequenzen. Eine Rückmeldung à la „für dieses Produkt gibt es keine Risikobeurteilung“ brauchen Sie nicht zu akzeptieren. Genauso wenig das Statement „die Risikobeurteilung geben wir nicht raus“. Nein – Sie haben ein Recht darauf. Ohne dieses Dokument können Sie einer Ihrer Kernaufgaben nicht nachkommen, nämlich Restgefährdungen, nachdem sie konstruktiv nicht zu vermeiden sind, auf dem Wege der Instruktion wirkungsvoll abzuwenden.
Und noch ein schöner Punkt: Den per E-Mail in letzter Minute mitgeteilten Warnhinweis brauchen Sie auch nicht einfach ungeprüft zu übernehmen. Was Sie benötigen, ist ein Update der Risikobeurteilung. Und dann entscheiden Sie als Redaktion, wie Sie der neu entdeckten Gefährdung in der Anleitung begegnen. Womit wir schon beim nächsten Punkt wären.
Sie dürfen entscheiden
Es ist tatsächlich so, dass Sie als Redaktion entscheiden dürfen, wie Sie die Informationen aus der Risikobeurteilung in Ihren Anleitungen umsetzen. Wirklich eins zu eins übernehmen müssen Sie nur die Gefahrenstufe. Alles andere ist Ihre Sache.
Das bedeutet zum Beispiel: Sie sind frei darin, wie Sie die Formulierungen in Ihren Warnhinweisen wählen – egal, welche Formulierungen Sie in der Risikobeurteilung vorfinden. Sie entscheiden, ob Sie auffällige SAFE-Warnhinweise verwenden oder auf Inline-Warnhinweise setzen, die sich in ihrer Kombination aus „auffällig und lesefreundlich“ besonders für Handlungspassagen empfehlen (siehe Webinaraufzeichnung „Warnhinweise in SCHEMA ST4“). Oder ob Sie entgegen dem Wunsch der Entwicklung überhaupt keinen Warnhinweis setzen (oder weniger als gewünscht), und die benötigte Sicherheit vorwiegend durch eine lückenlose und logische Handlungsabfolge sicherstellen (siehe Blogartikel „Wenn Warnhinweise in Anleitungen zur Gefahrenquelle werden“).
Überrascht? Flankiert!
Das mag Sie vielleicht überraschen. „Haben wir wirklich so viele Rechte und Freiheiten als Redaktion?“ – Ja, die haben Sie. Nur sind viele Redaktionen es einfach nicht gewohnt, so klar (und nebenbei auch wertschätzend) über ihre eigene Arbeit zu denken.
Wichtig ist nur, dass Sie diese Gestaltungshoheit (selbst-)bewusst wahrnehmen und kommunizieren – für sich als Team und im Gegenüber und Miteinander mit anderen Interessengruppen im Unternehmen. Gerade hinsichtlich der Sicherheitsinformationen empfehlen wir unseren Kunden in diesem Zusammenhang immer zwei Maßnahmen:
- Halten Sie die Maßgaben und Regeln, nach denen Sie die Sicherheitsinformationen in Ihren Anleitungen handhaben, schriftlich fest. Wir nennen das ein Sicherheitskonzept. Dieses Sicherheitskonzept richtet sich an Zielgruppen außerhalb der Technischen Redaktion wie das interne Qualitätsmanagement, externe Zertifizierungsstellen oder die hauseigene Entwicklung/Konstruktion. Das Konzeptdokument ist auch der Ort, an dem Sie offenlegen, wie Sie die Vorgaben aus der Risikobeurteilung in Ihren Anleitungen redaktionell verarbeiten.
- Neben das Sicherheitskonzept tritt der Redaktionsleitfaden. Im Gegensatz zum Konzept „diskutiert“ der Redaktionsleitfaden nicht. Er „instruiert“ und begleitet die Leute, die die konkrete redaktionelle Arbeit machen, bei der Umsetzung der Sicherheitsinformationen. Und das auf möglichst eindeutige, übersichtliche und effiziente Weise.
Auf jeden Fall gut gerüstet
Ein ausformuliertes Sicherheitskonzept, ein Update des Redaktionsleitfadens: Das sind die typischen Ergebnisse, wenn wir mit Kunden das Thema Sicherheitsinformationen in ihren Anleitungen neu aufsetzen. Und mit denen auch Ihre Redaktion bestens gerüstet ist für beides:
Die Pflicht, für eine sichere Anwenderinstruktion zu sorgen. Eine Pflicht, die Ihnen niemand nehmen kann.
Und die Verpflichtung, dies im Horizont moderner redaktioneller Standards und Verfahren zu tun. Eine Aufgabe, bei der Sie niemand unbegründet einschränken darf.
Webinaraufzeichnung