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Ein Technischer Redakteur hat mir einmal Folgendes gesagt: „Die Digitalisierung haben wir in unserem Unternehmen schon abgeschlossen. Alle unsere Anleitungen gibt es bereits als PDF zum Download auf der Website …“ Na ja, irgendwie stimmt das ja auch. Aber ich hätte mir unter Digitalisierung schon ein bisschen mehr vorgestellt.
Digitalisierung in Wellen
Vermutlich gibt es nirgendwo mehr eine Technische Redaktion, die ihre Dokumentation nicht digital erstellt. Die meisten verteilen ihre Anleitungen sogar digital – obwohl andererseits immer noch viel gedruckte Dokumentation ausgeliefert wird. Aber oft gibt es dann die Dokumentation zumindest auch parallel auf Datenträgern oder man findet sie zum Download auf der Website.
Alles in Butter also? Mission completed – Digitalisierung abgeschlossen? Nein, natürlich nicht, denn Dokumentation digital zu erstellen, ist nur die erste Welle der Digitalisierung. Heute geht es um eine Umstellung, die sehr viel tiefergehend ist, als der Umstieg von der Schreibmaschine zu FrameMaker.
Digitalisierung die zweite
Worum geht es nun in der zweiten Welle der Digitalisierung? Egal, ob Word, FrameMaker oder PDF – wir reden hier immer noch von Dokumenten. In einer wirklichen Digitalisierung soll aber die richtige Information im richtigen Umfang den Nutzer oder die Nutzerin auf dem passenden Medium zum richtigen Zeitpunkt erreichen.
Davon ist ein downloadbares zweihundertseitiges PDF weit entfernt. Wenn ich eine konkrete Frage habe, dann möchte ich genau diese Frage beantwortet bekommen und nicht eine Informationssammlung, in der sich auch die richtige Information befindet. Das ist so, als ob man fragt, was man am Wochenende tun könnte und erhält zur Antwort das Veranstaltungsverzeichnis der nächsten fünf Monate für ganz Deutschland.
Digitalisierung ist (mehr als) online
Dokumentation der zweiten Digitalisierungswelle besteht nicht aus Dokumenten. Starre Kapitelstrukturen und lineare Texte müssen aufgelöst werden, damit ein feingranularer Inhalt entsteht. Diese Schreibstrategie wird oft mit dem Schlagwort „online first“ zusammengefasst. Dies ist auch ein erster Schritt, aber tatsächlich geht der Trend noch weiter. Denn auch online sind noch viele Inhalte linear organisiert. Das eigentliche Ziel ist eine modulare Contentarchitektur, die aus relativ kleinen Einheiten von zwei bis drei Absätzen besteht.
Doch woher wissen die Nutzer:innen dann, welche Einheit für sie gerade relevant ist? Contentmodule werden mit Metadaten versehen, die signalisieren, welche Art von Inhalt (Beschreibung, Handlung, Warnung etc.) sich darin befindet und zu welchem Gerät oder welchem Bauteil sie gehören. Dadurch entsteht ein digitales Beschreibungsmodell eines Geräts. Dieses Modell wird oft als digitaler Informationszwilling (digital information twin) bezeichnet. Sobald diese Zuordnungen vollständig hergestellt sind, kann ein:e Nutzer:in also genau entscheiden, welche Information für sie die richtige ist. Oder ein digitaler Zugriffsmechanismus (Facettensuche, Content Delivery Plattform oder ähnliches) entscheidet das. Dies ist dann aber letzten Endes eine Frage der Auswahl des geeigneten Darstellungsmediums.
Digitalisierung ist in der zweiten Welle also deutlich mehr als Inhalte in Bits und Bytes vorliegen zu haben. Sie sorgt für eine Integration von Text und Gerät und für die automatische Bereitstellung der benötigten Inhalte. Mit den richtigen Methoden (z. B. iiRDS) und Werkzeugen (z. B. SCHEMA ST4) ist das kein Hexenwerk. Die Zeit ist reif, damit zu beginnen.
Auch ich halte die Digitalisierung für eine gute Entwicklung. Sie bietet einen besseren Überblick und einen schnelleren Informationsaustausch. Man kann von überall aus auf Dokumente zugreifen.