„Leichte Sprache am Arbeitsplatz“ von Anne Goldbach und Daniel Bergelt ist das sozialwissenschaftliche Pendant zu einem Buch, das wir schon vor einiger Zeit besprochen haben. Es verspricht Ergebnisse aus dem Leipziger Forschungsprojekt LeiSA und Praxisempfehlungen. „Tolle Sache!“ dachte ich mir – sind doch z. B. Prozessdokumentationen am Arbeitsplatz etwas, von dem nicht nur Menschen mit Lernbehinderung profitieren, sondern beispielsweise auch Menschen mit geringen Deutschkenntnissen.
Stutzig gemacht hat mich dann allerdings der schlanke Umfang des Büchleins: In 44 Seiten kann man zwar einiges an Informationen packen, allerdings haben sich die Herausgeber entschieden, das Konzept der linguistischen Schwesterpublikation fortzuführen. Dabei steht eine Seite (vertiefter) Content jeweils einer Seite gegenüber, die in einfacher Sprache diesen Content zusammenfasst. Netto, also ohne Literatur, Publikationen, Projektüberblick und Forschungsstand, bleiben so aber nur noch wenige Seiten für den Inhalt übrig.
Was sind nun die Ergebnisse? Zunächst einmal überrascht, dass leichte Sprache hauptsächlich in Werkstätten für Menschen mit (Lern-)Behinderungen eingesetzt wird; Inklusionsbetriebe (Unternehmen, in denen Menschen mit und ohne Lernbehinderungen Seite an Seite zusammen arbeiten) setzen sie nur sehr sporadisch ein und kaum zur Organisation der Arbeit (Sicherheitsunterweisungen, Dokumentation der Arbeitsschritte). Wer die Szene der leichten und einfachen Sprache kennt (und die Kosten für die Übersetzung eines Textes in leichte Sprache), der wird hier nicht überrascht sein.
Spannender ist nun was passiert, wenn man leichte Sprache an den Arbeitsstätten einsetzt. Vereinfacht gesagt: Die Leute sind danach weniger zufrieden und sie halten sich für weniger kompetent! Goldbach und Bergelt erklären das durch die gesteigerte Selbstreflexion der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Die scheinbare „Verschlechterung“ bildet somit einen ersten Schritt zu mehr „Empowerment“.
Aus sozialer Sicht ist das sicher ein wichtiges Ergebnis. Im Schonraum der Werkstätten für Menschen mit Behinderungen mag das Ergebnis auch Basis für Handlungsstrategien sein. Aus unternehmerischer Sicht bleiben aber leider zu viele Fragen offen: Erleichtert leichte Sprache den Adressaten und Adressatinnen die Bewältigung von Aufgaben? Welche Argumente oder Kosten-/Nutzenrechnungen können das Management überzeugen, leichte Sprache einzusetzen? Wie lassen sich mit Texten in leichter Sprache mehr Menschen mit Lernbehinderung in Betrieben einsetzen? Das und noch vieles mehr hätte ich gerne erfahren: „Leichte Sprache am Arbeitsplatz“ liefert mir dazu leider keine Antworten.
Literatur:
Anne Goldbach/Daniel Bergelt [2019]: Leichte Sprache am Arbeitsplatz. Sozialwissenschaftliche Ergebnisse und Praxisempfehlungen aus dem LeiSA-Projekt. Reihe: Kommunikation – Partizipation – Inklusion. Bd. 6. Frank & Timme, ISBN 978-3-7329-0585-0. 44 Seiten, Preis 19,80€.
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Hinweis: Das hier besprochene Buch wurde uns vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Der Verlag hat keinerlei Einfluss auf den Inhalt dieser Besprechung genommen.