Leichte Sprache ist für uns im doctima Blog ja ein Thema, das uns seit vielen Jahren begleitet. Und nun gibt es endlich eine Neuerscheinung zu melden, auf die ich persönlich seit vielen Jahren gewartet habe. Das Buch, das diese Lücke schließt, heißt „Leichte Sprache – kein Regelwerk“. Im ersten Moment mag dieser Titel ein wenig verwundern. „Kein Regelwerk“ – Ist nicht genau ein Regelwerk das, was man für leichte Sprache braucht?
Tatsächlich nicht. Denn Regelwerke gibt es für leichte Sprache schon seit langem. Das bekannteste findet man beim Netzwerk Leichte Sprache. Diese Regeln wurden von Praktikern formuliert und haben sich in verschiedenen Schreibprojekten seit vielen Jahren bewährt.
Allerdings blieb die ganzen Jahre ein Verdacht: „Helfen diese Regeln der Zielgruppe wirklich?“ Bettina M. Bock und weitere Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus der Projektgruppe LeiSA (Leichte Sprache im Arbeitsleben) haben deshalb die gängigen Regeln für Leichte Sprache empirisch untersucht. Dabei haben sie bei Angehörigen der Zielgruppe für leichte Sprache sowohl Verständnistests als auch systematische Befragungen durchgeführt.
Herausgekommen ist ein Buch, das viel Altbekanntes bestätigt, manche vermeintlich absolute Wahrheit aber auch relativiert. Und das ist gut so! Denn bei einer zu strikten Regelanwendung besteht die Gefahr, dass man zu den Lesern und Leserinnen herabspricht, sie künstlich unmündig hält.
Ein Beispiel: Die Regeln für leichte Sprache empfehlen nur häufige Wörter zu verwenden. Bock hat nun herausgefunden, dass z. B. Menschen mit kognitiven Einschränkungen durchaus auch vergleichsweise seltene Wörter kennen und adäquat einsetzen können. Das gilt besonders dann, wenn die Begriffe in ihrem Lebensumfeld häufig verwendet werden.
„Leichte Sprache – kein Regelwerk“ ist ein gut lesbares Buch geworden, das sich trotz des Titels durchaus als Regelwerk verwenden lässt. Es geht aber über den reinen Regelwerk-Charakter hinaus, differenziert und schärft den Blick auf die Zielgruppe. Es bietet außerdem für Praktiker einen bequemen Einstieg in die Forschungslage, die sich in den letzten Jahren glücklicherweise deutlich verbessert hat. „Leichte Sprache – kein Regelwerk“ ist damit ein eminent verdienstvolles Buch, das ich allen empfehle, die sich regelmäßig mit der Thematik barrierefreie Kommunikation beschäftigen.
Hinweis: Das hier besprochene Buch wurde uns vom Verlag kostenfrei als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Der Verlag hat keinerlei Einfluss auf den Inhalt dieser Besprechung genommen.
Literatur: Bock, Bettina M.: „Leichte Sprache“ – Kein Regelwerk. Sprachwissenschaftliche Ergebnisse und Praxisempfehlungen aus dem LeiSA-Projekt. Berlin: Frank & Timme Verlag für wissenschaftliche Literatur, 2019. 100 Seiten. EUR 19,80. ISBN: 978-3-7329-0534-8.
Ich Übersetzer sagt Jahren Texte in die leichte Sprache, und hält dieses Buch für absolut kontraproduktiv. Er schafft mehr Verwirrung als dass es hilft. Kann von der Lektüre nur abraten.