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doctima gibt es ja mittlerweile seit einem Vierteljahrhundert. Das ist eine ganz schön lange Zeit und für mich als technikaffiner Mensch eine schöne Gelegenheit, mal die Mottenkiste aus der Kammer zu holen, darin zu stöbern und zu gucken, wie das denn damals so war, als wir als Doku-Dienstleister angefangen haben. Ich würde ja dazuschreiben „die Älteren unter uns werden sich erinnern“, aber gerade das klappt bei uns Älteren ja nicht mehr so unbedingt. Also: Ein kleiner Rundumschlag über die technischen Rahmenbedingungen von damals.
Ein Arbeitsplatz
Der hellgraue PC mit CD- und Diskettenlaufwerk steht groß und klobig unter dem Schreibtisch. Darin schnurrt hörbar die Lüftung für den Pentium-Prozessor. Das Hochfahren von Windows NT dauert lange genug, um sich auch in einem größeren Bürogebäude gemütlich einen Kaffee zu holen.
Wir setzen uns an den Schreibtisch, der tief genug ist, um den – ebenfalls hellgrauen – klobigen Röhrenmonitor zu beherbergen. Der muss so groß und klobig sein, um bei 17“ Bildschirmdurchmesser auch die volle Auflösung von 1024×768 Pixeln sauber darstellen zu können.
Die Maus hat als Positionsabnehmer auf der Unterseite eine herausnehmbare Kugel. Weil wir hin und wieder auf das Mauspad kleckern, reinigen wir alle paar Monate die dazu gehörenden Laufrädchen, wenn die Maus beim Verschieben anfängt zu hakeln.
Neben dem Monitor steht selbstverständlich ein ISDN-Festnetztelefon mit Digitalanzeige. Das schicke neue Siemens-Handy (ebenfalls mit Digitalanzeige) hat Zifferntasten und taugt zum – Telefonieren.
Irgendwo liegen Disketten rum und dazwischen ein ultramoderner PalmPilot mit einfarbigem LCD-Display, der den Wandkalender um ein freundliches Piepsen zum Terminzeitpunkt ergänzt.
Das Internet
Das Internet 1998 – unglaubliche 15 Jahre vor Merkels „Neuland“-Zitat – bietet immer mehr Webseiten. Wir befinden uns in den Anfängen der Dotcom-Blase und alle wollen mit dabei sein. Die Inhalte waren aber oft noch spärlich und verwiesen gerne darauf, dass man unter einer bestimmten Telefon- oder Faxnummer gerne den gedruckten Katalog anfordern konnte.
Das Internet durchsuchen wir mit Lycos, Altavista oder Yahoo. Ganz neu am Start ist ein gewisses „Google“ (auch 1998 gegründet).
Der Austausch von Daten läuft in der Regel über Disketten (für die jüngere Leserschaft: Das waren die Dinger, die Ihr heute noch als Symbol für Speichern kennt) oder gebrannte CD. Besprechungen finden per Telefon (ISDN kann drei Teilnehmer zusammenschalten) oder unter persönlicher Anwesenheit statt.
Web-Technik
HTML 4.0, das Stylesheets (CSS), Skripte (Javascript) und Frames einführt, ist ganz neu auf dem Markt. Alle experimentieren mit Frames. Was Stylesheets und Skripte bewirken, hängt so sehr vom verwendeten Browser ab, dass man als Entwickler versucht, diese Features zu umgehen.
Seiten-Layouts in HTML bestehen neben abenteuerlichen Frameset-Konstruktionen aus kompliziert ineinander geschachtelten Tabellen. Höhen und Breiten werden mit transparenten Grafiken, den sog. „Spacer-GIF“, zurecht geschoben. Es gibt eine Liste von „sicheren Webfarben“, die von jedem Browser gleich oder zumindest sehr ähnlich dargestellt werden. Die sind leider alle eher auf der grellen Seite.
Wer unter den Bedingungen keine Webseiten gestalten will, weicht auf Macromedia Flash aus, das zwar die Installation eines Browser-Plugins erfordert, aber eine konsistente Darstellung und funktionierende dynamische Elemente verspricht.
Um den Browser-Markt kloppen sich vor allem Microsofts Internet Explorer 4 und der Netscape Communicator, aus dem in einigen Jahren der Firefox hervorgehen wird.
Technische Redaktion und Contentmanagement
Technische Dokumentation wird vor allem mit FrameMaker oder Interleaf erstellt – oder mit dem damals schon allgegenwärtigen Microsoft Word. Mit dem FrameMaker+SGML lassen sich sogar medienneutrale, semantisch strukturierte Dokumente erfassen. Die SGML-Weiterentwicklung XML ist gerade eben als Standard veröffentlicht worden, wird aber noch von keinem Werkzeug wirklich unterstützt.
Eines der großen aktuellen Themen ist die Encodierung von Zeichen, die über den ASCII-Standard hinausgehen. Der Standard Unicode liegt zwar bereits in Version 3.0 vor, findet aber bisher nur wenig Beachtung. Man behilft sich mit sog. „Entities“ und legt viel Wert darauf, das richtige Encoding für alle Übersetzungen im Griff zu haben.
Tatsächlich gibt es bereits Component Content Management Systeme, auch wenn sie noch nicht so heißen. Wir sind von Beginn an Partner von SCHEMA (heute Quanos) und arbeiten mit SchemaText, dem Vorläufer des späteren SCHEMA ST4. Das Tool ist in LISP geschrieben, einer damals in der KI beliebten Sprache, und lässt sich mit Skripten im LISP-Dialekt SCHEME konfigurieren, um z. B. Inhalte als geschachtelte HTML-Tabellenkonstrukte auszugeben.
SchemaText arbeitet intern mit SGML und kann in der Ausgabe Unicode erzeugen. Die grafische Oberfläche zeigt ein Netzwerk von Knoten und Links, die man einzeln mit der Maus verschieben oder automatisch auf der Zeichenfläche anordnen kann. Das ist super, um Querbeziehungen zwischen Bausteinen („Knoten“) herzustellen oder nachzuvollziehen, wird aber bei größeren Dokumenten schnell unübersichtlich und mühsam. Wir verwalten damit aber immerhin HTML- und Winhelp-Publikationen mit bis zu 5000 Seiten.
PDF-Dokumente lassen sich über einen Zwischenschritt via Word, FrameMaker oder Interleaf erzeugen. Den direkten Weg aus dem CCMS nach PDF wird erst ST4 beherrschen.
Flashback
Das sind meine Erinnerungen an die Technik im letzten Jahrtausend, als doctima an den Start ging. Haben Sie auch manchmal Flashbacks? Oder reichen Ihre Erinnerungen sogar noch weiter zurück? Ich freue mich auf Ihre Kommentare.
Wie weit wir in dem Vierteljahrhundert gekommen sind: Mobile Doku, Content Delivery, Digitalisierung und jetzt auch KI – die Technische Dokumentation war und bleibt auf alle Fälle spannend.