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Seit Jahren geistert sie durchs Internet und wird bei geselligen Anlässen immer wieder als Anekdote zum Besten gegeben: Die Geschichte von der US-Amerikanerin, die ihren nassen Pudel zum Trocknen in die Mikrowelle steckte.
Die meisten werden das traurige Ende dieser Geschichte kennen: Das arme Tier verendet, einigen Berichten zufolge sogar auf explosive Art. Die Halterin zieht daraufhin vor Gericht und bekommt eine beträchtliche Summe als Schadensersatz zugesprochen. Die Argumentation des Gerichts: Der Hersteller der Mikrowelle hatte keine Sicherheitsinformationen mitgeliefert, die darauf hinwiesen, Lebewesen nicht in der Mikrowelle zu erwärmen.
Ob sich die Geschichte tatsächlich so zugetragen hat, darf bezweifelt werden. Wahrscheinlich gehört sie eher ins Reich der urbanen Legenden. Andererseits wird durch sie aber klar, welchen Stellenwert Sicherheitsinformationen in der Technischen Dokumentation innehaben.
Was sind eigentlich Sicherheitsinformationen?
Unter dem Begriff „Sicherheitsinformationen“ fassen wir u. a. Sicherheitshinweise und die Warnhinweise zusammen. Sowohl Sicherheits- als auch Warnhinweise sind wichtige Bestandteile der Technischen Dokumentation und beide verfolgen denselben Zweck: Anwender:innen sollen über potenzielle Gefahren aufgeklärt werden und erfahren, wie sie diese Gefahren minimieren können.
Wo liegt der Unterschied zwischen Sicherheits- und Warnhinweisen?
Obwohl beide Begriffe gerne synonym verwendet werden, gibt es zwischen diesen beiden Arten von Sicherheitsinformation bedeutende Unterschiede. Sich dieser Unterschiede bewusst zu sein, ist eine Voraussetzung dafür, eine normgerechte Technische Dokumentation zu erstellen, wie sie z. B. in der Norm IEC/IEEE 82079-1 gefordert wird. Diese Unterschiede wollen wir Ihnen in den folgenden Zeilen erläutern.
Sicherheitshinweise
Sicherheitshinweise werden im Gegensatz zu Warnhinweisen zu Beginn des Dokuments in einem eigenen allgemeinen Sicherheitskapitel platziert – hier gilt das Prinzip „Das Wichtigste zuerst“. In Anlehnung an die aktuelle Normung bzw. die dazugehörige Auslegung sollte dieses Sicherheitskapitel einen Titel wie „Sicherheit“, „Zu Ihrer Sicherheit“oder „Allgemeine Sicherheitshinweise“ tragen (vgl. tekom-Praxisleitfaden „Sicherheits- und Warnhinweise“). Die US-amerikanische ANSI Z535.6 kennt diese Sicherheitshinweise als sogenannte „Grouped Safety Messages“.
Innerhalb des allgemeinen Sicherheitskapitels können die Sicherheitshinweise auf ganz unterschiedliche Art ausgeführt werden, da Informationsstruktur und Layout nicht vorgegeben sind: Als Fließtext, in Stichpunkten, als Tabellen etc. Ziel des Sicherheitshinweises ist es, potenzielle Gefahren von Transport über Montage bis Wartung hinweg und grundsätzliche Verhaltensweisen als Abhilfe aufzuführen.
Merke:
Sicherheitshinweise sind präventiv und helfen Benutzer:innen, sich vorab über grundsätzliche Risiken im Umgang mit dem Produkt zu informieren.
Warnhinweise
Warnhinweise hingegen haben ihren Platz in den handlungsorientierten Kapiteln (Lebenszyklus-Kapitel) und haben wiederum nichts im allgemeinen Sicherheitskapitel zu suchen. Im Gegensatz zu den Sicherheitshinweisen lassen sie weniger Gestaltungsspielraum zu, denn Warnhinweise sind auf ein bestimmtes Set an Informationen beschränkt (Stichwort „SAFE-Prinzip“). Außerdem gibt es Vorgaben und Empfehlungen zum Layout (z. B. Farbwahl) und den Signalwörtern wie GEFAHR oder VORSICHT. Warnhinweise stehen immer genau bei den Handlungen mit konkreten Gefahren, auf die sie sich beziehen.
Merke:
Warnhinweise sind reaktiv und dienen dazu, Benutzer:innen über Gefahren in Echtzeit zu informieren – genau dort, wo die Info benötigt wird.
Eingebettete Warnhinweise
Eine besondere Form der Warnhinweise sind die sogenannten „Eingebetteten Warnhinweise“. Sie verschmelzen fast mit dem Handlungsschritt, auf den sie sich beziehen. Sie verzichten bewusst auf eine zu auffällige Optik und fügen sich gut lesbar in die sachlogische und chronologische Reihenfolge einer Handlung ein. Strukturell orientieren auch sie sich am SAFE-Prinzip – wobei sie nur das an Informationen realisieren, was im konkreten Handlungskontext für das benötigte Plus an Sicherheit sorgt.
In der Kürze liegt die Würze
Alle aufgeführten Arten von Sicherheitsinformationen sind notwendig, um die Sicherheit von Benutzern zu gewährleisten und Schäden zu minimieren. Sicherheitsinformationen sollten leicht verständlich und mit klaren Anweisungen angereichert sein, die den Benutzern dabei helfen, potenzielle Gefahren zu erkennen und darauf zu reagieren.
Produktsicherheitslabel
Der Vollständigkeit halber wollen wir auch Produktsicherheitslabel erwähnen: Dabei handelt es sich um Sicherheitsinformationen, die direkt am Produkt angebracht sind, z. B. als Schild oder Aufkleber. Diese Produktsicherheitslabel können sowohl aus Bildern als auch aus Text bestehen – der Text sollte allerdings in der jeweiligen Sprache des Landes verfasst sein, in dem das Produkt ausgeliefert wird.
Wenn wir noch einmal zu dem Pudel zurückkehren aus der „Urban Legend“ oben: Der hätte von einem Produktsicherheitslabel vermutlich stärker profitiert als von jeder anderen Art von Sicherheitsinformation.
Hallo,
Vielen Dank vorab für eure tollen Beiträge, über die man oft als erstes stößt, wenn man in der Suchmaschine nach etwas aus der Technischen Redaktion sucht. Macht weiter so!
Zu diesem Artikel muss ich sagen: ist alles genau so, wie ich mir das vorgestellt habe 🙂
Hauptsächlich ging es mir nochmal um den Unterschied zwischen “Warnhinweis” und “Sicherheitshinweis”.
Bei meiner Recherche in der DIN EN ISO 20607-2019 hatte ich im Abschnitt 5.2.2 einen Verständniskonflikt, der nun weiterhin besteht.
Ich vermute hier wurde Terminologisch nicht sauber bei DIN gearbeitet.
Unter 5.2.2.1 umschreiben sie quasi selbst, dass im “Abschnitt Sicherheit” zusammengefasst “Allgemeine Sicherheitsanforderungen, die nicht auf bestimmte Aufgaben beschränkt sind…” aufzuführen sind. => Das wiederrum sind aus meiner Sicht, gem. eurem Artikel hier und auch gem. der Definition aus DIN-Term die sogenannten “Sicherheitshinweise”.
Unter 5.2.2.2 werden dann die “Allgemeine Regeln zur Erstellung des Abschnitts “Sicherheit”” aufgezählt, wobei direkt im ersten Aufzählungspunkt von “Warnhinweisen” die Rede ist.
Aus meiner Sicht müsste an dieser Stelle (und den Nachfolgenden in der Aufzählung und unter Kap. 5.2.2) aber von “Sicherheitshinweisen” die Rede sein.
Ich würde mich freuen, wenn ihr meine Ansicht bestätigen könntet oder mir sagen könntet, wo ich evtl. einen Denkfehler habe!
Vielen Dank schonmal vorab und eine Erfolgreiche Woche wünsche ich!
Mit freundlichen Grüßen,
Timo Münzmay
Hallo Timo, zunächst vielen Dank für dein Lob! Freut uns, dass du die Informationen hilfreich findest.
Ich stimme dir vollkommen zu: Bei den genannten Stellen in der DIN EN ISO 20607-2019 fehlt mir auch die terminologische Konsistenz. Rein inhaltlich sollte nur von “Sicherheitshinweisen” in einem vorangestellten Kapitel/Abschnitt “Sicherheit” die Rede sein. Derartige Terminologiefragen sind mir selbst bei der Normen- und Fachliteraturrecherche auch schon häufiger begegnet.
Ein gutes Beispiel dafür, dass man den Normeninhalt nicht 1:1 übernehmen soll, sondern immer kritisch hinterfragen darf. Gerade wenn andere Normen und Fachliteratur wie z. B. der tekom-Leitfaden “Sicherheits- und Warnhinweise” deine Argumentation bestätigen.
Viele Grüße,
Lena