Recherche ist natürlich eine Kernaufgabe für die Technische Redaktion. Und wenn sie sich optimieren lässt, dann sollte man das wohl auch tun. Leider gibt es nur wenig wissenschaftliche Impulse zu diesem Thema. Um so bedauernswerter ist es, wenn ein Buch zur Recherche in der Technischen Dokumentation erscheint und weder Titel noch Untertitel darauf hinweisen.
Am Beispiel der Technischen Dokumentation will Thorsten Dick seine Forschungsfrage klären und die lautet grob gesprochen: „Welche inhaltlichen, gestalterischen und organisatorischen Merkmale haben Recherchenotizen und wo gibt es Anhaltspunkte zur Verbesserung?“ Die genaue Formulierung ist natürlich wissenschaftlich präziser, für Praktiker aber nur mit viel Hintergrundwissen nachvollziehbar.
Dick berücksichtigt dafür die aktuellen Ergebnisse der Fachsprachenforschung. Mit den fachkommunikativen Modellen von Roelcke und von Schubert wählt er zwei Ansätze für seine Theoriebildung, die gleichermaßen gut geeignet für einen integrativen Blick auf Kommunikationsprozess und -produkt sind.
Konsequent ist auch, dass sich Dick weitgehend von der konventionellen Verständlichkeitsforschung absetzt. Tatsächlich entziehen sich Recherchenotizen den Beurteilungsdimensionen der konventionellen Verständlichkeitstheorien, weil Rechercheaufzeichnungen meist formelhaft verkürzt sind und sie sich letzten Endes immer nur an einen Adressaten richten, nämlich den Textproduzenten selbst.
Das Buch leistet sicherlich einen wichtigen Beitrag für die Fachsprachenforschung. Gerade Situationen, in denen die Textproduzierenden mit sich selbst kommunizieren, sind bisher weitgehend unberücksichtigt geblieben. Auch das fachkommunikative Modell, das Dick hier vorstellt, ist eine wichtige Ergänzung zu den Modellen von Roelcke und Schubert, insbesondere wenn es um die metakommunikative Funktion von Texten zur Klärung von Verstehensschwierigkeiten geht.
Enttäuscht wird man allerdings, wenn man sich Optimierungsvorschläge für das Verfassen von Recherchenotizen verspricht. Nicht, weil Dick das Thema nicht behandelt. Tatsächlich widmet er ihm sogar zwei ganze Kapitel. Die sind aber in einem Stil formuliert, der meiner Einschätzung nach weit vorbeigeht an der von ihm angesprochenen Zielgruppe – „Meine Optimierungsmöglichkeiten […] richten sich eher an eine Novizin [Anmerkung MN: Dick verwendet hier das generische Femininum], die ihre eigene Notizenerstellung optimieren möchte.”
Ein Beispiel:
„Die Angabe von Personalpronomen […] kann als implizite visuelle Markierung von Direktiva gesehen werden, die sich auf den fachkommunikativen Handlungsprozess beziehen.“
Alles klar? Ich fürchte, wenn man seinen Einstieg in der Technischen Dokumentation macht und zuvor nicht gerade Linguistik studiert hat, dann bleibt man bei solchen Aussagen hilflos.
Wohlgemerkt, das mindert nicht den Wert dieser wissenschaftlichen Arbeit. Es zeigt aber deutlich, welche Sprachlosigkeit mittlerweile (oder immer noch?) zwischen Theorie und Praxis in unserem Beruf herrscht. Das ist ganz besonders deshalb schade, weil der Autor als Technischer Redakteur gearbeitet hat und damit das Rüstzeug für praxisnahe Empfehlungen mitbrächte. Hier kann man nur hoffen, dass Thorsten Dick in einer Folgepublikation das außerhalb seiner Dissertation nachholen wird. Ich hoffe jedenfalls gespannt darauf.
Literatur:
Dick, Thorsten [2019]: Fachlich kommunizieren mit sich selbst. Verständlichkeit und Optimierung von Recherchenotizen.
Reihe Forum für Fachsprachenforschung. Bd. 150. Frank & Timme, ISBN 978-3-7329-0553-9. 274 Seiten, Preis 39,80€.
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