Anglizismen sind in der Öffentlichkeit ja eines der Aufreger-Themen schlechthin. Da vergisst man bei all dem Getöse, dass sich Leute auch ganz unaufgeregt und wissenschaftlich mit dem Thema beschäftigen. Eine von diesen Leuten ist unsere ehemalige Kollegin Sabrina Brandt. Sie hat uns gebeten, ihr Fachbuch „Anglizismen – Sprachwandel in deutschen und norwegischen Texten der Informationstechnologie“ einmal genauer anzusehen und unsere Meinung im doctima-Blog zu posten. Was ich natürlich gerne tue!
Sabrina Brand interessiert sich dafür, welchen Einfluss das Englische auf die Sprache der IT hat. Dazu vergleicht sie Texte aus Deutschland und aus Norwegen. Sie arbeitet also sprachvergleichend und korpusbezogen. Um diese quantitative Herangehensweise abzurunden, hat sie in beiden Sprachen außerdem Sprachproduzenten (Übersetzer und Technische Redakteure) zu ihren Einschätzungen und Einstellungen befragt. Insgesamt eine sehr ausgewogene Herangehensweise; die faktenbasierte Korpusauswertung wird so durch „soft facts“ akzentuiert.
Was sind nun die Ergebnisse? Zu viel will ich hier nicht verraten. Allen Anglizismenkritikern möchte ich aber mitgeben, „dass die Anglizismen vermehrt neutral eingestuft werden, was für eine gute Integration bis hin zur Unauffälligkeit spricht.“ Zumindest die Profis haben also wesentlich weniger ein Problem mit dem englischen Spracheinfluss als in der sprachkritischen Öffentlichkeit gerne behauptet wird.
Insgesamt lässt eine Arbeit dieses Umfangs natürlich viele Fragen offen. Dennoch sind die Ergebnisse wertvoll, zum Beispiel als Entscheidungshilfe für Übersetzer. Sehr viel wichtiger ist jedoch die wissenschaftliche Unaufgeregtheit im Umgang mit Anglizismen. Es täte den zahlreichen selbsternannten Sprachexperten und -kritikern gut, sich zumindest einmal die Überblickskapitel zu Gemüte zu führen. Dort lässt sich ein schneller Überblick zu Fremdwörtern, Lehnwörtern und zu den Gründen für den Einfluss des Englischen auf das Deutsche finden.
Allerdings muss ich zum Abschluss noch ein Wort der Kritik äußern. Es scheint leider, dass sich Verlage mittlerweile ein systematisches Lektorat sparen. Anders lässt sich die hohe Zahl an orthografischen Auffälligkeiten kaum erklären. Im Allgemeinen bin ich gegenüber Rechtschreibfehlern recht tolerant. Hier ist allerdings eine Grenze erreicht, bei der einige Fehler potenziell sinnentstellend sind. Und auch sonst lassen solche orthografischen Zumutungen nur begrenzt Vertrauen in die wissenschaftliche Solidität aufkommen.
Literatur:
Brandt, Sabrina [2017]: Anglizismen – Sprachwandel in deutschen und norwegischen Texten der Informationstechnologie.
Reihe Forum für Fachsprachenforschung. Bd. 137. Frank & Timme, ISBN 978-3-7329-9631-5. 140 Seiten, Preis 24,80€.
Hinweis: Das hier besprochene Buch wurde uns vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Der Verlag hat keinerlei Einfluss auf den Inhalt dieser Besprechung genommen.