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Seit einigen Jahren coache ich unsere Kunden bei der Erstellung von Lasten- und Pflichtenheften. Für die meisten ist diese Dokumentart ihre Nemesis! Oft heißt es nämlich: Projektdokumentation – wer macht das schon gerne? Eine der vielen Fragen zu dieser Dokumentart begegnet mir dabei mit schöner Regelmäßigkeit: „Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem Lastenheft und einem Pflichtenheft?“
Um diese Frage zu beantworten, muss man sich zunächst einmal einer anderen Frage widmen.
Wozu dienen diese Dokumente überhaupt?
Vorangestellt muss man sich einmal überlegen, was die beiden Dokumente bezwecken sollen. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass beide Dokumente den gleichen Gegenstand behandeln: Es geht um ein noch zu entwickelndes Produkt, das irgendwie beschrieben werden soll.
Die Beschreibung soll im Idealfall auch noch so ausfallen, dass keine Missverständnisse zwischen einem Auftraggeber (AG) und einem Auftragnehmer (AN) entstehen. Denn in der Praxis passiert oftmals folgendes: Beide Projektpartner beschreiben den gleichen Gegenstand, haben aber im Kopf völlig unterschiedliche Vorstellungen davon.
Lasten- und Pflichtenhefte dienen dazu, die Unterschiede zwischen den Vorstellungen beider Projektpartner möglichst transparent zu machen und zu minimieren. Sie sind somit Teil einer Risikostrategie im Projektmanagement.
Und was ist jetzt der Unterschied?
Kurz gesagt: der Detailgrad der Informationen. Der AG formuliert seine Vorstellung des Produktes in Form des Lastenheftes. Der AG sagt seinem AN darin was er will und wozu er es braucht. Er liefert hier eine Beschreibung des Gesamtprojektes in Form von Anforderungen. Diese sind noch als technische Grobspezifikation des Produktes gestaltet.
Ein Beispiel für eine solche Grobspezifikation wäre:
Anforderung1: Ich benötige einen Touchscreen für ein neues Notebook.
Vorgegeben ist hier also nur die Funktion, nicht die technische Umsetzung.
Der AN prüft das Lastenheft und formuliert seine technische Lösung in Form des Pflichtenhefts. Hier beschreibt er für jede Anforderung eine detaillierte technische Lösung. Der AN sagt seinem AG in Form des Pflichtenhefts, was er bekommt und wie die technische Lösung umgesetzt ist. Das Pflichtenheft enthält also die technischen Feinspezifikationen der Lösungen.
Ein Beispiel für die Feinspezifikation wäre also:
Anforderung 1: Ausführung des Touchscreen
- Größe: 15,1″
- Kapazitativer Touchscreen
- OLED-Display
- …
Vorgegeben ist hier die technische Umsetzung bis zum kleinsten Detailgrad (einzelne technische Werte).
Im Delta beider Dokumente lassen sich dann Missverständnisse meist schnell identifizieren. Beide Projektpartner stellen in Form der Dokumente hier nämlich transparent und prüfbar dar, wie sie sich das Produkt vorstellen.
Wozu dann eigentlich die Teilung in Lastenheft und Pflichtenheft?
Die beiden Dokumente beschreiben zwar beide das gleiche Produkt, jedoch aus unterschiedlicher Perspektive. Das Lastenheft ist aus Sicht des AG geschrieben, das Pflichtenheft aus Sicht des AN. Die Skalierung beider Dokumente ist je nach Wissensgrad der Verfasser ganz unterschiedlich.
Hat der AG ganz genaue Vorstellungen von dem, was er will? Hat er technisches Fachwissen? Dann wird das Lastenheft wohl ausführlicher geschrieben sein und enthält vielleicht auch technische Spezifikationen. Fehlt ihm das entsprechende Fachwissen, findet man in der Praxis meist nur grobe Beschreibungen einer Produktidee.
Dementsprechend sind dann die Pflichtenhefte gestaltet. Erhält der AN ein sehr spezifisches und ausführliches Lastenheft, kann das Pflichtenheft in Umfang und Detailgrad geringer sein. Umgekehrt muss das Pflichtenheft natürlich ausführlicher sein, wenn das Lastenheft nur grobe Umschreibungen enthält. Was der AG im Lastenheft nicht abdeckt, muss also entsprechend im Pflichtenheft aufgefangen und geklärt werden.
Und in der Praxis?
In vielen Unternehmen finden sich beide Dokumentarten. Oftmals gibt es übrigens gar keine Teilung in zwei Dokumente! Es existieren entweder nur ein Lastenheft oder ein Pflichtenheft, die sich mit der Zeit evolutionär erweitern, mit jeder neuen Version spezifischer werden.
Wir empfehlen dennoch das Verfassen von zwei getrennten Dokumenten. Warum? Ganz einfach, weil die Zuständigkeiten so klarer werden. Das Verfassen des Lastenheftes ist Sache des AG und das Verfassen des Pflichtenhefts die des AN.
Welche Fragen haben Sie zum Thema Lastenheft und Pflichtenheft? Teilen Sie die beiden Dokumentarten? Gerne beantworten wir Ihre Fragen in den Kommentaren. Falls Sie an einer Beratung zum Thema interessiert sind oder Unterstützung z. B. in Form von Word-Vorlagen benötigen, können Sie sich gerne an uns wenden.
Danke für die ausführliche Beschreibung.
Manchen ist nicht klar was diese beiden Dokumente sind. Wie im Beitrag beschrieben, gibt es oftmals keine zwei Dokumente, sondern man arbeitet von Anfang nur mit einem Dokument und wird dann immer spezifischer.
Eventuell sind im Agilen Modell auch andere Ansätze der Anforderungsaufnahme und Formulierung denkbar?
Danke für die Informationen. Sehr hilfreich.
Viele Grüsse
Sascha Thattil