
Medienlinguistik 3.0 (Cover)
Eigentlich klingt „Medienlinguistik 3.0“ zu gut, um wahr zu sein. Denn Medien und Linguistik und Social Web – das sind drei Dinge auf einmal, das kann sonst ja nur ein Ü-Ei. Sehen wir also mal nach, was in dem Überraschungs-Ei „Medienlinguistik 3.0 – Formen und Wirkung von Textsorten im Zeitalter des Social Web“ (so der komplette Buchtitel) versteckt ist.
Und das ist so einiges. 20 Beiträge beleuchten das Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Den Anfang machen mehrere Aufsätze zur Abgrenzung des Themenbereichs und zu anderen Grundfragen. Teil 2 beschäftigt sich dann mit „Textsorten und Online-Journalismus“. Die Bezeichnung finde ich persönlich ein wenig unglücklich, denn durch die herausgehobene Nennung des Online-Journalismus drohen die lesenswerten Beiträge von Wenz und Opilowski zu Internet-Memen fast thematisch unterzugehen.
Der dritte Bereich widmet sich den Plattformen, wobei aber auch hier immer wieder der Bezug zu Textsorten hergestellt wird. Interessant fand ich zum Beispiel die Analyse von Peter Schildhauer, ob, wie und warum Blogs von Facebook und Twitter verdrängt werden. Den Abschluss des Bandes bildet ein vierter Teil zur Mediendidaktik. Dass Mediendidaktik in Deutschland ein wichtiges Desiderat ist, brauche ich wohl kaum zu betonen. In Anbetracht dieser Wichtigkeit fällt für meinen Geschmack der Bereich mit nur zwei Beiträgen ein wenig schmal aus. Dafür sind die beiden Beiträge hochrelevant. Besonders der Aufsatz von Judith Buendgens-Kosten war für mich erhellend. Sie zeigt, wie Unterricht dadurch scheitert, dass Blogs eingeführt werden – nicht deshalb, weil Blogs im Unterricht eingesetzt werden, sondern weil sie als eine exotische Schreibpraxis dargestellt werden, die mit der Lebenswirklichkeit der Schüler (den Kindern der Digital Natives) nichts zu tun hat.
Aktuelle Fragestellungen – z. B. zu Fake-News und Echokammern – findet man in „Medienlinguistik 3.0“ allerdings (und selbstverständlich) nicht. Das Buch ist aus den Vorträgen einer Tagung von 2014 entstanden, als diese Themen noch nicht in den Blick der Öffentlichkeit gerückt waren. Gerade das tut beim Lesen aber auch gut. Denn halbgare hektische Analysen zu aktuellen Trends gibt es genug. Was fehlt, sind solche fundierten Studien wie „Medienlinguistik 3.0“, die eine stabile Basis für die Beurteilung der schnelllebigen Social Media Phänomene schaffen. Das Überraschungs-Ei hat also wirklich drei Wünsche auf einmal erfüllt: Medien, Linguistik und gesunde Kost fürs Hirn.
Literatur: Baechler, Coline/Eva Martha Eckkrammer/Johannes Müller-Lancé/Verena Thaler [Hrsg. 2016]: Medienlinguistik 3.0 – Formen und Wirkung von Textsorten im Zeitalter des Social Web. Reihe Sprachwissenschaft. Bd. 34 Frank & Timme Verlag für wissenschaftliche Literatur, ISBN: 978-3-7329-0078-7.
Hinweis: Das hier besprochene Buch wurde uns vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Der Verlag hat keinerlei Einfluss auf den Inhalt dieser Besprechung genommen.