„Etwas stimmt in diesem Text nicht!“ Wie oft ist es mir in Projektarbeit und Beratung schon so gegangen, dass ich einen Text analysiert oder Korrektur gelesen habe und erst nach einigem Nachdenken sagen konnte, woher das ungute Gefühl eigentlich kommt.
Mal sind alle Fakten enthalten, aber der rote Faden fehlt. Mal ist von der Komposition her alles in Ordnung, aber der Autor hatte einfach die falsche Zielgruppe im Visier – was den besten Text zum Scheitern bringt. Ein anderes Mal sind es nur ein paar „kosmetische“ Änderungen in Grammatik oder Stil, und schon ist ein Text in Ordnung.
Texte in Ebenen gedacht
Dieses Phänomen, nämlich dass Texte auf unterschiedlichen Ebenen funktionieren, ist Kern einer Neuerscheinung aus dem November 2013. Zugegeben: Von allein wäre ich nicht darauf gekommen, dass sich die Anschaffung lohnt. Das Buch wendet sich nämlich erst einmal an die wissenschaftliche Welt und es behandelt eine Textsorte, die für die berufliche Praxis kaum relevant ist: Textdiagnose und Schreibberatung – Fach- und Qualifizierungsarbeiten begleiten.
Trotzdem kann ich dieses Buch allen empfehlen, die ihr sprachliches Handwerks- und Beratungsinstrumentarium ausweiten und schärfen wollen. Das liegt vorwiegend an den ersten 185 Seiten. Die lassen sich nämlich mit ganz wenig Mühe auch auf andere Textsorten übertragen – gerade auch auf die, die uns im beruflichen Alltag Sorgen machen. Ich denke da im Blick auf unsere Projekte zum Beispiel an Kundenanschreiben oder auch sehr umfangreiche Texte wie Gebrauchsanleitungen oder technische Spezifikationen.
Inhaltlich bieten diese 185 Seiten einen Schnellkurs in angewandter Textlinguistik, geschrieben von einem Autorinnen-Team, das die Theorie und die Praxis sehr gut kennt. Das merkt man der Themenauswahl an (keine akademischen Fragen, sondern die relevanten Themen). Und das merkt man auch dem Schreibstil an, der seine wissenschaftliche Herkunft zwar nicht ganz verleugnen kann, aber insgesamt für eine gute Lesbarkeit sorgt.
Bemerkenswerter Name – hoher Nutzwert
Dreh- und Angelpunkt in diesem Buch ist das „Bietschhorn“-Modell. Das eignet sich aus meiner Sicht hervorragend dafür, in einem Text Klarheit zu schaffen über die eingangs geschilderte Herausforderung: Wo liegt eigentlich das Problem eines Textes?
Das „Bietschhorn“-Modell zerlegt Texte dazu in sechs verschiedene Schichten. Diese Schichten müssen erst einmal für sich und dann auch im Miteinander funktionieren. Nur so wird ein Text kommunikativ erfolgreich. Daher übrigens auch der Name „Bietschhorn“; das ist ein Berg in den Walliser Alpen mit einer geologisch außergewöhnlichen horizontalen und vertikalen Schichtung.
Mir persönlich gefällt dieses Buch sehr gut. Die Konzepte sind fachlich auf der Höhe der Zeit. Alles ist so weit durchdacht und systematisiert, dass ein Modell als praktische Arbeitshilfe mitgeliefert wird. Und so hat das „Bietschhorn-Modell“ mittlerweile seinen festen Platz in meiner Sammlung beratungstauglicher Modelle, die ich immer dann benötige, wenn es ans Redigieren und Konzipieren von Texten geht.
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