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Seit 2019 vergeben wir ja nicht nur einen Nachwuchspreis „Berufliche Kommunikation“, sondern zwei. Hinzugekommen ist der Sonderpreis für studentische Arbeiten. Diesen Preis hat 2023 Alicia Hückmann gewonnen, die uns mit ihrer Masterarbeit in ein bekanntes Thema führt: Standardisierung, im konkreten Fall von englischen Verben. Sie widmete sich u. a. der Frage: Wann ist ein Synonym ein Synonym?
Als mein Mann mich zum ersten Mal in Würzburg besuchte, schrieb er mir: „Treffen wir uns an der großen Kirche?“
„Okay, dann komme ich zum Dom.“
Während ich also eine halbe Stunde lang vergeblich den Kiliansdom umrundete, wartete mein Mann völlig unbedarft vor der Augustinerkirche. An diesem Tag lernte ich zwei Dinge:
- Kirchen im Allgemeinen sind ein denkbar ungünstiger Treffpunkt in einer Stadt mit ca. 70 Kirchenbauten.
- Synonyme führen zu Problemen, wenn keine Einigkeit darüber herrscht, dass sie dasselbe bezeichnen.
Abwechslung nicht um jeden Preis
An und für sich sind Synonyme eine gute Sache. Sie sorgen für Abwechslung und lassen Texte ansprechender klingen. Unter Umständen ist es jedoch vorteilhaft, auf Synonyme zu verzichten. Im Bereich der technischen Redaktion kann das Auftreten von Synonymen weitreichende Konsequenzen haben. Wechselt ein Text zwischen den Wörtern Frontscheibe und Windschutzscheibe, kann das zu Verwirrung und (kostspieligen) Missverständnissen führen – wenn unklar ist, dass diese Begriffe ein und denselben Gegenstand bezeichnen. Lexikalisch konsistente Texte sind jedoch nicht nur weniger anfällig für Fehlinterpretationen, sondern reduzieren im besten Fall auch Kosten im Bereich der Redaktion und Übersetzung.
Das Unternehmen, in dem ich als Masterandin angestellt war, nutzt bereits verschiedene Tools zur Gewährleistung lexikalischer Konsistenz. Meine Aufgabe war es, weiteres Standardisierungspotenzial im Bereich synonymer englischer Verben zu identifizieren. Genauer gesagt überprüfte ich die Empfehlungen des Regelwerks ASD-STE100 (auch bekannt als Simplified Technical English) für einige hochfrequente Verben auf ihre Praxistauglichkeit.
Wann sind Wörter „ausreichend synonym“?
Ein Eingrenzen des Terminus „Synonymie“ mit dem Ziel, Sprache zu standardisieren, ist heikel. Definiert man ihn zu eng, erfasst er nur wenige Begriffspaare und führt zu unbefriedigenden Resultaten. Definiert man ihn zu weit, geschieht dies auf Kosten von Präzision und Klarheit. Ich versuchte, einen Mittelweg zu finden: Wörter sind dann ausreichend synonym, wenn zwei ihrer Lesarten hinsichtlich ihrer Denotation und ihres kollokativen Verhaltens identisch sind. In der Praxis bedeutet das: Wenn ein Wort ein anderes in wenigstens einer Lesart in jedem Kontext ersetzen kann, ohne die Satzbedeutung zu verändern, sind die beiden Wörter Synonyme.
Wie findet man heraus, ob zwei Wörter Synonyme sind?
Mithilfe eines digitalen Korpusanalysetools identifizierte ich die 50 häufigsten Verben in Reparatur- und Wartungstexten des Unternehmens, zu denen auch das Wort fix gehörte. Anhand dieses Beispiels werde ich mein methodisches Vorgehen erläutern.
ASD-STE100 klassifiziert fix als ein zu vermeidendes Wort mit vier Lesarten, die durch die synonymen Vorzugsbenennungen attach, install, repair bzw. set erfasst werden. Um die Wörter auf ihr Synonympotenzial zu überprüfen, führte ich zunächst für jedes der Verben eine Denotationsanalyse durch. Dabei verglich ich Wörterbucheinträge hinsichtlich spezifischer Komponenten wie dem angegebenen Zweck der Handlung. Es folgte eine Kollokationsanalyse im Corpus of Contemporary American English, bei der ich untersuchte, in welcher Umgebung die Wörter typischerweise auftreten. Im letzten Schritt analysierte ich die Nutzung der Wörter in den mir vom Unternehmen zur Verfügung gestellten Texten.
Auf dieser Grundlage gelang es mir, die vier Vorzugsbenennungen voneinander abzugrenzen und für jede einen Bereich zu definieren, in dem sie fix ersetzen kann. Beispielsweise sind fix und attach in Kontexten synonym, in denen ein Objekt an der Oberfläche eines anderen fixiert wird. Sie unterscheiden sich damit von der Nutzungsweise von fix im Sinne von ‚etwas in ein Objekt integrieren, v.a. um es funktional zu machen‘, für das install der geeignetere Ersatz ist.
Bei der Analyse der Unternehmenstexte zeigte sich, dass eine Substitution von fix nicht in jeder Wortform problemlos möglich ist. Als Attribut eines Substantivs wie price oder time, das ausdrückt, dass ein Wert ‚festgelegt‘ ist, führt ein Ersetzen durch das Verb set zu Ambiguität:
The taximeter calculates a fixed price (= ein festgelegter Preis).
The taximeter calculates a set price (= ein festgelegter Preis ODER ein Preis für ein Set)
Meine abschließende Empfehlung für fix beinhaltete daher – neben einer Präzisierung der Regelung in ASD-STE100 und der Abgrenzung der Kontexte für jede Vorzugsbenennung – eine Sonderregelung für die Wortform fixed als attributives Partizip in der Bedeutung ‚festgelegt‘.
In meiner Arbeit konnte ich zeigen, dass ASD-STE100 zwar gute Ansätze für den Umgang mit verbaler Synonymie liefert, dass ein blindes Vertrauen und ein unflexibles Einfordern der Regeln allerdings zu unpräzisen oder mehrdeutigen Formulierungen führen kann – ein Problem, das durch die Reduktion von Synonymie ironischerweise umgangen werden soll.
Die Autorin
Alicia Hückmann studierte an der Universität Würzburg die Fächer Deutsch und Englisch für das Lehramt an Gymnasien, wofür sie von der Studienstiftung des deutschen Volkes gefördert wurde. Im Rahmen ihres Masterstudiums der allgemeinen und angewandten Sprachwissenschaft, das sie parallel dazu absolvierte, arbeitete sie als Praktikantin und Masterandin im Bereich Terminologiemanagement. Aktuell ist sie als akademische Mitarbeiterin an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg tätig und promoviert dort zu einem sprachdidaktischen Thema.