Wenn ich Sie jetzt fragen würde, ob Sie ein Smartphone dabei haben, dann wird die Antwort sehr wahrscheinlich „Ja“ lauten. Die meisten von uns haben das Handy immer mit dabei und damit ist es nur ein kleiner Schritt zur mobilen Dokumentation. Und genau dieses Thema ist das Schwerpunktthema der neuesten Ausgabe der technischen kommunikation.
Wie gewohnt gibt es von uns drei Kommentare zu Artikeln aus der Ausgabe 05/2022 – viel Spaß beim Lesen!

Lisa Lippold
CMS Specialist & Developer
Das individuelle Erlebnis zählt
Gertrud Gründwald, technische kommunikation 05/2022, S. 11-17
Wer sich mit dem Thema Mobile Dokumentation beschäftigt, kommt um die Themen Usability und User Experience kaum herum. Nur weil eine Dokumentation auf einem mobilen Gerät oder online zur Verfügung steht, muss sie nicht automatisch besser als ihre Print-Version sein. Bei der Entwicklung digitaler Informationsprodukte müssen viele Aspekte beachtet werden, wie Anpassungen in der Darstellung bestimmter Elemente, von Nutzern erwartete Funktionalitäten und Vieles mehr. Usability und User Experience sind dabei zentrale Themen, um gute Informationsprodukte zu entwickeln.
Neben technischen Aspekten muss auch die Dokumentation an die Darstellungsformen, beispielsweise auf mobilen Geräten, angepasst werden. Ebenso das Nutzerverhalten, Zielgruppen und individualisierte Inhalte spielen dabei eine große Rolle. In dem Beitrag werden die Normen zur Usability DIN EN ISO 9241-11 und DIN EN ISO 9241-110 herangezogen und wie diese in der Technischen Redaktion Anwendung finden können. Dabei werden konkret verschiedene Themen und praktische Umsetzungsmöglichkeiten aufgezeigt. Der Beitrag bietet einen interessanten Einblick in die Möglichkeiten und Anforderungen und wie sich die Technische Dokumentation im Hinblick auf neue Informationsprodukte verändern wird.

Lena Krauß
Terminology Expert
Übersetzen auf neuen Wegen
Marc Achtelig, technische kommunikation 05/2022, S. 28-33
Der Beitrag „Übersetzen auf neuen Wegen“ ist eine gute Zusammenfassung für alle, die sich auf den aktuellen State-of-the-Art der Maschinellen Übersetzung (MÜ) bringen wollen.
Ein paar Inhalte finde ich besonders interessant: Der Punkt „immer knapper werdendes Budget“ und ein daraus resultierendes Übersetzen im „Do-it-yourself-Verfahren“ werden als Beweggrund angesprochen. Da schrillen bei mir die Alarmglocken, wenn ich an die Rechtssicherheit und Haftung für die Übersetzung, geschweige denn die Qualität denke. Die in der Branche leider weitverbreitete Einstellung, die Übersetzung sei ein notwendiges Übel und nicht so anspruchsvoll wie das Erstellen der Doku in der Ausgangssprache, kommt bei diesem grundsätzlichen Budget-Argument für mich durch. Wenn das Budget so knapp ist, würde ich dazu einladen, nicht erst bei der Übersetzung sparen zu wollen, sondern schon früher im Prozess anzusetzen: Ist die Erstellung des Quelltexts effizient (Stichwort Standardisierung, automatisierte Redaktionsprozesse)? Stehen nur die Informationen in der Doku, die die Anwender zur Handlung befähigen, und werden unnötige Zusatzinformationen weggelassen (Stichwort Druckkosten, Anwenderfreundlichkeit)? Wer hier gut aufgestellt ist, hat automatisch geringere Übersetzungskosten.
Des Weiteren sind diese Kriterien auch für den Einsatz von MÜ unerlässlich: Die Qualität des Outputs wird nur akzeptabel, wenn die Input-Qualität stimmt. Hochwertige Texte sind notwendig, um die MÜ-Engines zu trainieren. Textsorten-Allrounder wie Google Übersetzer und DeepL sind sehr variantenreich – für die Technische Doku daher ungeeignet, da Terminologiekonsistenz und Schreibregeln, wie gleiche Satzmuster für Handlungsschritte, eingehalten werden müssen. Terminologiearbeit ist daher eine unerlässliche Vorstufe und die Glossarfunktion zum Einbinden der Terminologie ein essenzielles Feature. Nichtsdestotrotz wird immer eine gewisse Nacharbeit (Postediting) erforderlich sein.
Gerade beim Postediting liegt die Kunst darin, Fehler zu erkennen, die nur im direkten Vergleich des Ausgangs- und Zieltexts entdeckt werden können, weil sich der Text sprachlich flüssig liest und korrekt klingt. Das allein reicht aber den Anforderungen an die Doku nicht aus. Daher stimme ich dem Autoren nicht zu, dass Posteditoren keine Übersetzerausbildung haben müssen bzw. von Muttersprachlern der Zielsprache durchgeführt werden können.
Meiner Meinung nach ist für die Technische Doku immer noch der beste Einsatz MÜ im Translation-Memory-System zur Vorübersetzung (mit entsprechender Kennzeichnung) zu nutzen und durch Humanübersetzer bearbeiten zu lassen. Interessant finde ich die vom Autoren kurz vorgestellte Neuerung „Help+Manual Translation Assistant“ zur Integration in Redaktionssystemen und freue mich, mehr darüber zu erfahren.

Markus Nickl
CEO
Macht das Spaß – oder ist das seriös?
Siegbert Mattheis, technische kommunikation 05/2022, S. 46-50
Ich muss sagen, dass ich mir von dem Artikel mehr erwartet hätte. Gamification wird in der Technischen Dokumentation mittlerweile ja seit Langem diskutiert (z. B. hier). Warum gibt es dann so wenig Beispiele für Gamification in unserer Branche? Meiner Erfahrung nach liegt es keineswegs daran, dass Technische Redaktionen die Konzepte nicht kennen oder erst von dem Nutzen von Gamification überzeugt werden müssten.
Was der Beitrag leider offen lässt: Gamification kostet Geld und Entwicklungszeit und beides ist in vielen Technischen Redaktionen leider Mangelware. Serious Games purzeln leider nicht einfach so aus dem CMS. Deshalb hätte ich mir mehr Argumentationen gewünscht, wie man Gamification umsetzen kann und Beispielanwendungen, die Entscheider überzeugen. Zumindest die Beispiele kommen in dem Artikel vor – also durchhalten und bis zum Ende lesen.
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Coverfoto Zeitschrift: © tcworld GmbH
Zum Thema “Übersetzen auf neuen Wegen”
In einer idealen Welt stimme ich Ihnen absolut zu: MÜ als Hilfsmittel ja, aber wenn die Qualität an erster Stelle steht, geht es nicht ohne qualifizierte Nacharbeit. Noch entscheidender ist natürlich die Qualität des Ausgangsmaterials: Garbage in, Garbage out…
In der realen Welt sieht es meiner Erfahrung nach leider oft anders aus – zumindest im Bereich Softwaredokumentation. Da ist es (leider!) oft bereits Luxus, in der Ausgangssprache überhaupt eine halbwegs brauchbare Dokumentation zu haben. Gleiches gilt dann für Fremdsprachen. Ist die Anzahl an Benutzern eines Produkts nicht groß ist, lautet die Wirtschaftlichkeitsrechnung schlicht oft Dokukosten vs. Supportkosten. Dann liegt das wirtschaftliche Optimum (leider!) nicht bei der bestmöglichen Qualität, sondern ist immer ein Kompromiss. Zumindest, solange nicht wie im Maschinenbau durch schräge Übersetzungen Menschenleben gefährdet sind.