Man liest ja immer wieder mal solche Stiltipps, die uns auf den goldenen Pfad zum besseren Schreiben führen wollen. Und da steht dann zum Beispiel: „Schreiben Sie kurz, einfach, klar und verständlich […] Subjekt, Prädikat, Objekt.“ Aber stimmt das denn? Ist das, was hier mit Donnerstimme verkündet wird, denn wirklich sinnvoll?
Nun ja, Sie werden es sich schon denken können: Natürlich nicht. Es stimmt zwar, dass „Subjekt – Prädikat – Objekt“ eine der häufigsten Satzgliedstellungen im Deutschen ist: „Der Anlagenbau sucht Nachwuchs.“ Aber „häufig“ macht halt noch keinen guten Text. Sehen wir uns mal an, warum diese Empfehlung – in dieser absoluten Form – absoluter Unfug ist.
Eine Frage der Reihenfolge
Da sind zunächst einmal die allgemeinen Regeln für die Wortstellung im Deutschen. Im Aussagesatz steht das Prädikat zwar an zweiter Stelle, aber halt nicht in anderen Satzarten. Bei Aufforderungen zum Beispiel steht das Prädikat am Anfang: „Geht es dem Anlagenbau wirklich so schlecht?“ Genauso bei Entscheidungsfragen: „Kennst du schon die neuesten Quartalszahlen?“ Und bei den sogenannten W-Fragen steht das Prädikat zwar an zweiter Stelle, aber an erster Stelle steht halt nicht das Subjekt: „Warum sollte der Anlagenbau auf Digitalisierung setzen?“ Wenn wir die Regel befolgen, können wir also keine Aufforderungen und Fragen mehr bilden. Auf Dauer dürfte das beim Schreiben vermutlich ziemlich blöd sein.
Als zweites Problem kommt hinzu, dass die Regel ein wenig unterkomplex ist. Sehen wir uns doch mal den folgenden Satz an: „Der Anlagenbau wird mehr Nachwuchs brauchen.“ (Nein, das ist kein Passiv!) Wo steht denn hier das Prädikat? Richtig, nach dem Subjekt. Danach kommt das Objekt und danach der zweite Teil des Prädikats. Also eigentlich: Subjekt, Prädikat, Objekt, Prädikat. Klingt dann aber nicht mehr so schön als Regel.
Außerdem gibt es mehrere Arten von Objekten, auch im selben Satz: „Der Anlagenbau gibt dem Nachwuchs eine Chance.“ Oder: „Die Endfertigung behandelt die Oberflächen mit Nanomaterialien.“ Das wäre dann als Regel „Subjekt – Prädikat – Dativobjekt – Akkusativobjekt“ bzw. „Subjekt – Prädikat – Akkusativobjekt – Präpositionalobjekt“.
Aller guten Dinge sind nicht immer drei
Und zu guter Letzt gibt es auch noch weitere Satzglieder als Subjekt und Objekt. Vielleicht erinnern Sie sich aus der Schule, da waren auch noch die Adverbialien. „Der Anlagenbau vergibt in Deutschland in 2021 hunderttausende Lehrstellen.“ (Subjekt – Prädikat – Adverbial – Adverbial – Objekt). Falls Sie jetzt finden, dass der Satz ein wenig seltsam klingt, dann gebe ich Ihnen recht. Denn normalerweise würde ich schreiben: „In 2021 vergibt der Anlagenbau in Deutschland hunderttausende Lehrstellen.“ Oder: „In Deutschland vergibt der Anlagenbau in 2021 hunderttausende Lehrstellen.“ Was ich nach vorne stelle, hängt davon ab, was mir wichtiger ist.
Ich könnte da noch seitenweise weiterschreiben, warum eine Schreibregel wie „Schreiben Sie Subjekt, Prädikat, Objekt“ mehr schadet als sie nutzt (zum Beispiel über Thema-Rhema-Gliederung im Satz oder über Kopulaverben oder über Partikel). Aber ich will Sie ja nicht langweilen. Was ich aber noch dringend sagen möchte: Seien Sie vorsichtig mit solchen Rezeptregeln, die Sprache grob vereinfachen. Meistens enthalten sie zwar einen wahren Kern. Wenn man sie aber wörtlich befolgt, kommt ziemlicher Unfug heraus. Und Unfug wollen Sie ja nun wirklich nicht schreiben…