Irgendwann haben wir alle mit Wortarten zu tun bekommen. Die meisten von uns schon in der Grundschule: Tunwort, Wiewort, usw. Oder dann später auf der weiterführenden Schule: Substantiv, Verb, Adjektiv etc. Oder spätestens als Eltern, wenn wir unseren Kindern erklären sollen, was eine Präposition ist und feststellen, dass wir das selbst nicht so genau wissen.
Ich will jetzt hier nicht anfangen, zu erklären wie man Wortarten bestimmt. Das ist ein Thema für sich und wenn Sie das wirklich interessiert, dann schreiben Sie mir ruhig, vielleicht mache ich dann ja doch noch einen Post dazu. Aber ich will hier mal erklären, warum das mit den Wortarten so sauschwierig ist. Denn leider laufen viele Leute mit mehr oder weniger schlechtem Gewissen durch die Welt, weil sie mit Grammatik nicht klarkommen, wissen aber nicht, woran das liegt.
Fangen wir also einmal an, uns Wortarten genauer anzusehen. Ein großes Problem liegt aus meiner Erfahrung darin, dass viele Leute glauben, dass es Wortarten tatsächlich gibt und dass sich genau sagen lässt, welche und wie viele Wortarten es gibt. Das stimmt aber gar nicht. Denn Wortarten sind ein Modell mit dem wir Sprache zu kategorisieren versuchen. Je nachdem, was ich mit meinem Kategoriensystem erreichen will, werde ich deshalb mehr oder weniger Wortarten haben. Welche das sind, hängt natürlich auch von meinem Interesse ab (und von Traditionen in der Grammatikforschung).
Das ist so ähnlich wie bei Sportarten: Fußball ist eine Sportart, Skifahren auch, würde man intuitiv sagen. Aber stimmt das wirklich oder müssten wir nicht genauer sein bei der Definition der Sportart? American Football? Rugby? Alpin Ski? Skispringen? Und ist eigentlich Schach eine Sportart? Und wenn Schach eine Sportart ist, warum dann Mühle nicht? Oder doch…? Sie sehen mit Kategoriensystemen ist es oft gar nicht so einfach.
Noch dazu dann, wenn die einzelnen Kategorien lausig benannt sind: Ein „Tunwort“ zum Beispiel tut manchmal gar nichts, sondern „ist“ nur. Während manche „Hauptwörter“ durchaus keine Dinge sind, sondern einfach nur passieren. Ein Blitz ist zum Beispiel ein Vorgang und deshalb ist es konsequent, dass es in manchen Sprachen nur ein Verb für Blitz gibt, aber kein Substantiv. Auch die Zahlwörter, die in manchen Grammatiken vorkommen sind eine lausige Kategorie. Warum? Weil erstens eine Eins schön ist aber zwei Einsen noch viel mehr. Naja, der Satz ist ein wenig krumm, aber glauben Sie wirklich, wir könnten uns „einigen“, wie viele Zahlwörter darin enthalten sind?
Zu guter Letzt: nur weil zwei Wörter komplett identisch aussehen, heißt das noch lange nicht, dass sie dieselbe Wortart haben: „Die grünen Äpfel grünen im Grünen.“ Drei Wortarten, eine Schreibung, wenn man mal von der Großschreibung beim Substantiv absieht. Aber die anderen beiden Wortarten (Adjektiv, Verb) könnten wir ja auch großschreiben, wenn wir sie an den Satzanfang stellen. Das Ganze ist ein Wortbildungsmittel und nennt sich Konversion. Um den Ganzen noch eins draufzusetzen, gibt es auch noch Flexionsformen, die dafür sorgen, dass ein Verb sich wie ein Adjektiv verhält. Glauben Sie nicht? Dann passen Sie mal auf: „Das Lineal ist kaputt.“ Da ist „kaputt“ ganz klar ein Adjektiv. „Das Lineal ist zerbrochen.“ Sieht genauso aus; „zerbrochen“ ist aber das Partizip Perfekt von „zerbrechen“. Sieht verwirrend aus, ist aber auch verwirrend.
Zusammengefasst: Wortarten sind schwierig, weil das Konzept Wortart schwierig ist. Außerdem sind sie teilweise dämlich benannt oder beinhalten Wörter, die eigentlich nicht zusammengehören. Dann kommt noch dazu, dass es Wörter gibt, die gleich aussehen, aber bei näherem Hinschauen trotzdem nicht zur selben Wortart gehören. Am besten bestimmt man deshalb die Wortart eines Wortes nur in einem konkreten Kontext, also z. B. einem kompletten Satz. Dann gibt es zwar immer noch Unsicherheiten und Übergangsbereiche (das Partizip zum Beispiel) aber im Normalfall werden die Dinge schon ein wenig leichter.