Fast hätte ich dieses Buch ungelesen zur Seite gelegt, denn in „Selbstcoaching in der Wissenschaft“ konnte ich mich als Zielgruppe nicht so recht wiederfinden. Gekriegt hat mich der Ratgeber dann durch seinen Untertitel: „Wie das Schreiben gelingt“. „Mal sehen, ob sich da nicht doch das eine oder andere auf die Technische Redaktion übertragen lässt“, dachte ich mir und habe einen ausgiebigen Blick hineingeworfen. Und ich muss sagen, ich bin froh, dass ich das getan habe.
Das Buch ist erfreulich kurz, ohne dass die Inhalte aber zu kurz kommen. Und trotz seiner überschaubaren Länge liefert es eine ganze Reihe von unterstützendem Material mit:
- Checklisten am Ende der Kapitel,
- ein Anhang mit einem Manifest für das gute Schreiben,
- eine sinnvolle Literaturliste zum Weiterlesen und
- eine kurze Anleitung zum Aufbau eines kollegialen Schreibberatungszirkel.
Coaching per Buch ist immer schwierig, weil die direkte Interaktion wegfällt, aber hier hat die Autorin sich einiges an Gedanken gemacht, wie sie dieses Manko ausgleichen kann.
Inhaltlich bedient sich der Ratgeber bei der aktuellen Schreibforschung. Die Kapitel orientieren sich am Schreibprozess. Sie belassen es aber nicht dabei, sondern nehmen auch z. B. motivationale Aspekte oder die Gestaltung des Arbeitsplatzes in den Blick. Dadurch gelingt es Katja Günther, die rigide Abfolge zu unterbrechen, die eine Orientierung am Schreibprozess sonst nahe legt. Und das ist sehr sinnvoll, denn so entstehen in sich geschlossene Einheiten. Die müssen nicht in einer vorgegebenen Reihenfolge gelesen werden. Leser und Leserinnen können deshalb bei dem Thema einsteigen, wo sie gerade die stärksten Optimierungsmöglichkeiten sehen und so schnell zu Erfolgen kommen.
Mathematisch-technische Leser könnten vielleicht zunächst durch den deutlich geisteswissenschaftlichen Hintergrund irritiert sein: Schreibashram, Goethezitate, Achtsamkeit – meiner Erfahrung nach verliert man z. B. Ingenieure und Ingenieurinnen schnell durch einen solchen Zugang. Falls Sie sich hier wiedererkennen, möchte ich Sie bitten, dem Buch dennoch eine Chance zu geben. Denn auch wenn man im ersten Moment vielleicht versucht ist, das als „verquast“ abzutun – Katja Günther entwickelt daraus sinnvolle und pragmatische Konzepte, die einen ganzheitlichen Ansatz für die eigene Schreibarbeit unterstützen.
Selbstcoaching auch für Technische Redakteur*innen
Zu guter Letzt: Auch wenn sich das Buch an die Wissenschaft richtet, können Technische Redakteure und Redakteurinnen davon profitieren! Zwar haben wir beim Verfassen von Anleitungen meiner Erfahrung nach kaum Schreibblockaden; Modularisierung, Standardisierung und eine knappe fachliche Sprache sorgen dafür, dass das Schreiben schnell von der Hand geht. Anders sieht das jedoch aus, wenn es um Texte geht, die wir eher sporadisch produzieren: Blogposts, Fachvorträge, Zeitschriftenbeiträge – da fließt vielen das Wort nicht mehr so leicht aus der Feder. Und auch von den Arbeitsbedingungen ist der Alltag einer Wissenschaftlerin gar nicht so unähnlich zu dem von Freiberuflern in der Technischen Dokumentation.
Deshalb mein Fazit: Das Buch lohnt sich für viele Berufe, in denen ein wichtiger Bestandteil der Arbeit das professionelle Schreiben ist. Der ganzheitliche Ansatz hilft, eigene dysfunktionale Gewohnheiten zu hinterfragen und zu einem professionelleren, produktiveren, vor allem aber auch erfüllenderen Schreiballtag zu kommen.
Literatur:
Katja Günther [2020]: Selbstcoaching in der Wissenschaft – Wie das Schreiben gelingt. utb, ISBN 978-3-8252-5369-1. 134 Seiten, Preis 13,00€.
Hinweis: Das hier besprochene Buch wurde uns vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Der Verlag hat keinerlei Einfluss auf den Inhalt dieser Besprechung genommen.