Immer wieder schreiben uns Technische Redakteure und Redakteurinnen mit Fragen zu Terminologie und Standardisierung in der Technischen Dokumentation. Dieses Mal kommt eine Frage aus Österreich zu den Tücken der doppelten Verneinung.
Leserfrage:
Wir sind gerade durch eine Übersetzerfrage auf einen sehr unschönen deutschen Satz bei uns gestoßen: „Stellen Sie sicher, dass die Leiter am fernen Ende nicht kurzgeschlossen und geerdet ist.“
Die offensichtlichste Korrektur muss „ist“ zu „sind“ sein, aber der Übersetzer wollte eigentlich wissen, ob die Leiter beides nicht sein dürfen – kurzgeschlossen und geerdet (oder ob sich das „nicht“ nur auf „kurzgeschlossen“ bezieht). Die Antwort war für uns klar: Das „nicht“ bezieht sich auf beides.
Allerdings ist uns durch diese Frage bewusst geworden, dass der Satz auch anders interpretiert werden könnte. Und anscheinend wurde er das auch, denn im Französischen hatten wir die gemeinte Bedeutung, im Englischen hingegen die Version „nicht kurzgeschlossen, aber geerdet“.
Da wir das Problem beheben und damit die Verständlichkeit für Übersetzer und deutschsprachige Leser verbessern wollen, stellte sich uns nun die Frage: Wie formulieren wir den Satz am besten um? Mit „…am fernen Ende weder kurzgeschlossen noch geerdet sind“ oder eher mit „…am fernen Ende nicht kurzgeschlossen und nicht geerdet sind“?
Meine Präferenz wäre die „weder – noch“-Konstruktion, da sie so hübsch und elegant ist – und wann ist eine Technische Doku heute noch elegant? Das Argument meiner Kollegin für die „nicht – nicht“-Version ist, dass das doppelte „nicht“ NOCH eindeutiger sei. Gibt es da Erkenntnisse aus der Verständlichkeitsforschung oder Empirie, die eher für die eine oder andere Konstruktion sprechen?
Antwort von Markus Nickl:
Wenn ich das Ganze durchdenke, dann würde ich wahrscheinlich keine der beiden Lösungen nehmen. Denn durch diese Varianten erhalte ich zwar Klarheit für den Fall „beides nicht“. Es bleibt aber die Unklarheit für den Fall „das erste von den beiden nicht, das zweite aber schon“ bestehen. Da kann ich ja auch denken, das „nicht“ gilt für beides. Wenn Sie also Missverständnisse ausschließen möchten, müssten Sie eine explizitere Formulierung wählen:
Stellen Sie Folgendes sicher:
- Die Leiter sind am fernen Ende nicht kurzgeschlossen.
- Die Leiter sind am fernen Ende nicht geerdet.
Bzw.:
Stellen Sie Folgendes sicher:
- Die Leiter sind am fernen Ende nicht kurzgeschlossen
- Die Leiter sind am fernen Ende geerdet.
Schön ist das natürlich nicht, vielleicht auch ein wenig lang. Dafür ist es aber eindeutig. Das könnte man anderseits auch sicher noch geschmeidiger formulieren. Wie man das macht, hängt allerdings auch davon ab, wie der Rest Ihrer Texte formuliert werden soll. Die Lösung muss ja mit der Gesamtdokumentation zusammenpassen.
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Die von Dr. Nickl vorgeschlagene Lösung mag vielleicht nicht unbedingt elegant, wie es sich der/die Fragensteller/in wünscht. Allerdings hätte diese Struktur hinsichtlich der Übersetzbarkeit beim Einsatz eines TMs durch den parallelen Satzbau einen Vorteil. Und auch der einleitende Satz wird mit Sicherheit gut wiederverwendbar sein – im deutschen Ausgangstext wie in den Zielsprachen.