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Was macht eigentlich einen guten Workflow aus? Klar, der beste Workflow ist der, der funktioniert. Im Nachhinein ist es einfach, einen funktionierenden Workflow zu erkennen. Aber: Mit welchen Qualitätskriterien kann man gute Workflows schon bei der Definition identifizieren? Wir haben hier ein paar wesentliche Aspekte zusammengefasst, die uns in unseren Beratungsprojekten immer wieder auffallen.
Kriterium 1: Effizienz
Das Parade-Kriterium schlechthin: Wie effizient erreicht der Prozess sein Ziel? Wie viele Prozessschritte müssen durchlaufen werden? Wie lange ist die Durchlaufzeit? Wie viele Prozessbeteiligte sind notwendig?
Effizienz ist das, was wir bei einem Prozess (normalerweise) als Allererstes anstreben. Ich habe jedenfalls noch niemand gehört, der gesagt hat: „Lass uns mal den Prozess definieren, damit wir das entspannter erledigen können.“ Obwohl das natürlich auch stimmt: Ein gut definierter Prozess sorgt für Entspannung.
Kriterium 2: Aufwand
Und damit sind wir schon beim zweiten Kriterium für Workflows: Wie hoch ist der Aufwand für den Prozess als solchen? Denn neben dem Aufwand, das Prozess-Ziel zu erreichen, fällt bei jedem Workflow auch Aufwand für das Einhalten des Workflows an. Wie hoch ist zum Beispiel der Aufwand für die initiale Einarbeitung in den Prozess? Fällt auch beim wiederholten Durchlaufen des Prozesses immer wieder Einarbeitungsaufwand an? Muss ich zum Beispiel Prozess-Schritte oder Ablageorte immer wieder nachschlagen?
Aufwand entsteht nicht nur initial, sondern auch beim Abarbeiten der Prozess-Schritte. Vermutlich erinnern wir alle uns an Aufgaben, deren Dokumentation mehr Aufwand verursacht hat als die eigentliche Aufgabe selbst. Das kann im Einzelfall gerechtfertigt sein, wenn dadurch ein anderes Prozess-Ziel erreicht wird. Zum Beispiel ist bei unseren Kunden in der pharmazeutischen Industrie eine lückenlose Dokumentation gesetzlich zwingend vorgeschrieben. Da lohnt sich dann auch ein entsprechender Mehraufwand beim Dokumentieren der Prozessschritte. Im Allgemeinen wird man aber eher versuchen, die „Durchlaufkosten“ gering zu halten.
Weiterer Aufwand entsteht bei der Prozessdefinition. Wie hoch ist der Abstimmungsaufwand mit Kollegen, anderen Abteilungen oder Externen? Unsere Empfehlung: Beim Einführen von Workflows möglichst von innen nach außen arbeiten! Zuerst werden nur Workflows definiert, die nur das Team betreffen, dann Workflows für die eigene Abteilung, dann abteilungsübergreifende Workflows und zuletzt Workflows mit Lieferanten und Dienstleistern. Dabei besteht zwar die Gefahr, dass man die „inneren“ Workflows in späteren Schritten auf andere Gegebenheiten anpassen muss. Man gewinnt jedoch Schnelligkeit bei der Umsetzung und einen frühen Return on Investment.
Automatisierung durch Software-Tools lohnt sich, um den Aufwand möglichst gering zu halten. Diese Tools erzeugen umgekehrt aber einen finanziellen Aufwand (einmalig und/oder laufend), den man in die Gesamtbetrachtung des Workflows einbeziehen muss.
Kriterium 3: Transparenz
Ein Prozess ist nur dann gut, wenn ich als Beteiligter den Workflow auch verstehe. Transparente Workflows lassen sich in allen Teilschritten überblicken. Dabei muss ich zum Beispiel erfahren können, welche Prozess-Schritte parallel ablaufen und wo wichtige Teilergebnisse erzielt sind. Ich erhalte Informationen zu Laufzeiten, Prozessbeteiligten (z. B. Qualifikationsanforderungen) und Prozessergebnissen.
Ein guter Workflow zeigt mir aber auch während ich den Prozess bearbeite, an welchem Prozesspunkt ich mich gerade befinde. Das ist nicht immer offensichtlich: Ist das jetzt der zweite oder dritte Korrekturlauf? Ist bei der Dokumenterstellung das Marketing zur Prüfung einzubeziehen oder nicht? Solche Fragen sollten in einem guten Workflow gar nicht erst aufkommen.
Transparenz bedeutet auch, dass die Beteiligten schnell erfahren, ob Störungen im Prozess stattfinden und wie der Bearbeitungsfortschritt im Projekt sich für jeden einzelnen Prozessschritt gestaltet. So gewinnt jeder Beteiligte Sicherheit zu den Abläufen und Ergebnissen.
Kriterium 4: Robustheit
Transparent und robust – geht das? Das geht nicht nur, das ist sogar notwendig! Ein Workflow, der bei der kleinsten Abweichung aus der Kurve fliegt, ist für die meisten Zwecke ungeeignet. Der Prozess muss kleinere Abweichungen vertragen können, ohne dass das Projektziel infrage gestellt ist.
Umgekehrt muss es bei leicht geänderten Anforderungen möglich sein, den Prozess einfach und schnell anzupassen. Wohlgemerkt: An einem Prozess darf nicht unnötig herumgefrickelt werden. Andererseits darf aber eine leicht geänderte Ausgangssituation umgekehrt auch nicht zu wochenlangen Neudefinitionen des Prozesses führen, denn sonst behelfen sich die Mitarbeiter selbst und erledigen die Aufgabe außerhalb des definierten Workflow-Systems.
Robustheit bedeutet also auf der einen Seite Flexibilität, auf der anderen Seite spielt hier aber auch die Prozesssicherheit eine große Rolle. Das spielt mit der Transparenz als Kriterium zusammen. Wurden alle Prozessschritte vollständig abgearbeitet? Wurde die vereinbarte Qualität erreicht? Werden Prozessstörungen erfasst und gibt es einen übergeordneten Prozess, in dem diese (in Zukunft) behoben werden? In einem sicheren Workflow entsteht das Vertrauen, das nötig ist, damit die Prozessbeteiligten die Abläufe auch einhalten.
Kriterium 5: Zielgruppenorientierung
Das letzte Kriterium wird gerne übersehen: Der beste Workflow nutzt nichts, wenn er nicht zu den Beteiligten passt.
Nur selten sind es so eklatante Schwächen wie das internationale Unternehmen, das eine englische Dokumentation an einem Produktionsstandort mit 80 % Analphabetenanteil vorschrieb. Doch ähnliche Probleme treten auch in anderen Kontexten auf. Da sollen Entwickler die fachliche Freigabe für Dokumente geben; die Redakteure schreiben aber in einem CMS, auf das diese Entwickler keinen Zugriff haben. Oder: Die Technische Redaktion erstellt modularen, medienneutralen Content, die Marketing-Abteilung gibt aber Freigaben nur für layoutete Dokumente. Ein solch mangelhafter Zuschnitt auf das Vorwissen der Prozessbeteiligten kann einen Workflow schnell zum Scheitern bringen.
Auch die konkrete Arbeitssituation während der Bearbeitung ist ein Faktor für die Zielgruppenorientierung. Brauche ich Internetzugang, Datenbankzugriff oder reicht ein Stück Papier, um den Bearbeitungsfortschritt zu dokumentieren? Befinde ich mich in einem Reinraum oder im unbeleuchteten Keller? Je nach der Situation vor Ort müssen die Prozessschritte unterschiedlich gestaltet und mit entsprechenden Hilfsmitteln unterlegt sein.
Workflows zum Fließen bringen
Bei Workflows gibt es mehr Aspekte zu beachten, als man zunächst vielleicht denkt. Deshalb lohnt es sich, an die Definition der Workflows mit Energie und Sachverstand heranzugehen. Während der gesamten Definitionsphase sollte man die Workflows immer wieder mit den Prozessbeteiligten abgleichen. Dann ist die Chance hoch, dass die Kollegen im Arbeitsprozess mehr „Flow“ als „Work“ erleben.