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Wie nötig ist Effizienz (im Moment)?
Effizient sein – wer wünscht sich das nicht? Effizienz scheint deshalb eine selbstverständliche Anforderung für Technische Redaktionen. Allerdings gibt es durchaus Situationen in einer Redaktion, bei der ein einseitiger Blick auf Effizienz kontraproduktiv sein kann. Denn zunächst einmal ist Effizienz nur eine Eigenschaft von Prozessen. Sie sagt nichts darüber aus, ob die Prozesse auch ihre Qualitätsziele erreichen oder ob die Prozesse insgesamt die richtigen sind. Im schlimmsten Fall kann ein zu starker Effizienzfokus dann sogar zum Produktivitätskiller werden.
Beispiel: Bei einem Software-Hersteller durfte ich einmal eine Technische Redaktion beraten, die hocheffizient ein Handbuch mit mehreren hundert Seiten erstellte. Im Laufe unseres Workshops stellte sich allerdings heraus, dass es für die Inhalte dieses Handbuch gar keine Zielgruppe gab. Für Administratoren waren die Informationen weitgehend selbstverständlich und Normaluser durften einen Großteil der beschriebenen Aufgaben gar nicht erledigen, weil ihnen dazu die Software-Rechte fehlten. Die Lösung: zwei kurze Handbücher mit je zwanzig Seiten, die genau die Informationen liefern, die die Zielgruppe braucht.
Was macht Effizienz für uns aus?
Auch wenn man sich prinzipiell darüber klar ist, dass man effizient arbeiten möchte – das ist nur der erste Schritt, denn unter Effizienz verstehen alle etwas anderes. Wo die einen ein möglichst hohes Volumen als effizient ansehen (z. B. „zehntausend Seiten Dokumentation“), sehen andere hohe Stückzahlen im Vordergrund (z. B. „150 Handbücher in jeweils zehn Sprachen“) und eine dritte Partei wieder etwas ganz anderes. Es ist wichtig, sich als Team darüber klar zu werden, was wir für uns als effizientes Wirtschaften betrachten und wie wir das erfassen wollen. Sonst besteht die Gefahr, dass alle etwas anderes meinen oder dass im schlimmsten Fall die Ziele sogar sabotiert werden.
Beispiel: In einer Maschinenbau-Redaktion war mir aufgefallen, dass deren Anleitungen extrem viele Leerseiten bzw. Seiten mit nur wenigen Sätzen enthielten. Diese Seiten waren offensichtlich bewusst so eingefügt. Auf Nachfrage ergab sich, dass die Redaktion vom Management anhand der Anzahl der publizierten Seiten beurteilt wird.
Wie kann bzw. darf ich Effizienz messen?
Einer individuellen Leistungserfassung bzw. einer individuell zuordenbaren Leistungserfassung sind enge Grenzen gezogen. Das ist einerseits schade, weil man zur Erhöhung der Effizienz manchmal gerne genau wüsste, wo man ansetzen kann. Andererseits ist das aber auch gut so, weil solche Leistungserfassungen oft falsch interpretiert werden. Im Zweifelsfall sollte man sein Kennzahlensystem zur Leistungserfassung deshalb mit dem Betriebsrat abstimmen. Denn auch wenn sich zum jetzigen Zeitpunkt alle in der Redaktion einig sind, dass sie Effizienz auf eine bestimmte Art beobachten willen, kann es ja sein, dass neue Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen nicht mehr so begeistert von dem System sind.
Beispiel: Eine Redaktion hatte mit erheblichen Qualitätsproblemen zu kämpfen. Es zeigte sich, dass alle Beteiligten wussten, dass ihr Textoutput für Beurteilungen an die Personalstelle gemeldet wurde, allerdings nicht, wie viel Zeit für Qualitätssicherung aufgewendet wurde.
Beim Versuch, seine Redaktion effizient aufzustellen, gibt es viele Stolpersteine. Oft gehen gut gemeinte Maßnahmen nach hinten los. Deshalb ist es sinnvoll, sich genau zu überlegen, was man tut und alle Beteiligten mit ins Boot zu holen. Sonst erreicht man im schlimmsten Fall genau das Gegenteil von dem, was man eigentlich wollte.