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Neulich im Workshop „Verständlich Schreiben“. Ein Teilnehmer erklärt mir: „Bei uns in der Behörde ist ja ganz vieles fachlich exakt geregelt; da hat jedes Wort eine genau definierte Bedeutung. Das kann man gar nicht anders schreiben. Zum Beispiel ‘Ich gebe mithin zu bedenken, …’“ Doch halt! Ist das wirklich Fachsprache? Klar, fachlich ist der Satz auf jeden Fall. Wir erkennen sofort, dass das ein Behördentext wird. Aber exakt definiert? Auf meine Nachfrage konnte mir der Teilnehmer jedenfalls nicht erklären, was er denn mit „mithin“ genau meint.
Fachliches …
Fachsprache hat die Funktion, möglichst präzise und effizient über fachliche Inhalte zu sprechen. Deshalb ist der Rat, Fachwörter zu vermeiden, auch eher mit Vorsicht zu genießen. Denn in der Expertenkommunikation ist Fachsprache – und mag sie für Laien noch so unverständlich sein – natürlich genau das Richtige.
Dabei gibt es übrigens nicht nur die eine Fachsprache, sondern (beliebig) viele: Die Fachsprache der Verfahrenstechniker, Dependenzgrammatiker, Heilpraktiker, Cosplayer – jede fachliche Nische bringt auch ihre eigene Fachsprache mit. Und so ist auch jeder in irgendeiner Domäne Experte und in vielen anderen Laie. Das vergessen wir manchmal. Eine Seminarteilnehmerin aus der Steuerverwaltung sagte zu mir einmal: „Ich habe eigentlich nur mit Fachleuten zu tun, ich bearbeite die Ärzte und Zahnärzte.“ Tja, Fachleute sind das schon, aber halt für Medizin und nicht für das Steuerwesen.
… und Soziales
Aber was hat es nun mit der Fachsprache aus dem Anfangsbeispiel auf sich? „Mithin“ ist auf jeden Fall eine fachliche Formulierung. Aber ist es ein Fachwort? Der sprachlichen Präzision dient das auf jeden Fall nicht, wenn sogar der Experte die Bedeutung nicht auf den Punkt bringen kann.
Und damit kommen wir zu einem zweiten Aspekt von Fachsprache. Als fachlicher Experte sind wir Teil einer Gemeinschaft (von – ja klar – Fachleuten). Durch sprachliche Mittel signalisieren wir, dass wir dazugehören. Das ist im Prinzip nichts anderes als wenn sich Jungs auf dem Schulhof mit „Ey, Babo“ anreden. Man ist dabei und kennt sich aus. Im Umkehrschluss heißt das aber: Mit dieser Fachsprache zeigen wir Laien überdeutlich, dass sie nicht dazugehören. Wie dem neuen Kind in der Klasse, das die Insiderwitze nicht versteht.
Fachsprache, die hauptsächlich dazu dient Gruppenzugehörigkeit zu signalisieren, heißt auch Fachjargon. Er wird seit langem in Stilhandbüchern als große Stilsünde (z. B. Ludwig Reiners, Wolf Schneider) verdammt. Weniger geworden ist der Fachjargon dadurch nicht. Denn er erfüllt ja – wie wir gerade gesehen haben – eine wichtige sprachliche Funktion. Vielleicht ist es deshalb sinnvoller, diese Funktion ernst zu nehmen und gezielt einzusetzen lernen.
Sozial kompatibel bleiben
Was also tun, um als Experte nicht anzuecken? Zunächst einmal nichts! Jedenfalls dann, wenn Sie mit Fachleuten kommunizieren. Verändern Sie Ihren Fachstil bestenfalls vorsichtig, Sie wollen ja als Fachperson ernst genommen werden. Mit einer Ausnahme: Sind Sie der „Mega-Experte“ in Ihrem Fach? Dann schreiben Sie doch bitte so anregend und verständlich wie nur möglich. Denn Sie haben die Macht, einer vielleicht in die Jahre gekommenen Fachsprache neuen Schwung zu geben. Also: Je wichtiger Sie als Experte sind, umso mehr Verantwortung tragen Sie dafür, dass Ihre Fachsprache gut verständlich und effizient bleibt.
Schwieriger ist es im Dialog mit Laien. Auf Fachwörter können Sie kaum verzichten, allerdings müssen Sie sie für Laien erklären. Woran erkennen Sie aber, ob ein Begriff ein Fachwort ist oder Fachjargon? Auf jeden Fall nicht an der äußeren Form: Fachwörter können, genau wie Fachjargon, aus Fremdwörtern gebildet werden, aber auch aus deutschen Begriffen. Sie können ebenso Substantive als auch andere Wortarten oder sogar ganze Wortgruppen sein. Das Fachwort kann sogar mit einer anderen Bedeutung in der Allgemeinsprache vorhanden sein.
Um Fachwörter von Fachjargon zu unterscheiden, braucht es deshalb einen anderen Ansatzpunkt. Und der liegt in der sprachlichen Präzision: Fachwörter lassen sich genau definieren. Sie sind eindeutig definiert und deshalb können Sie sie in einem Fachwörterbuch oder Lehrbuch nachschlagen. Das klingt erst einmal nach Zusatzarbeit. Aber in der Kommunikation mit Laien müssen Sie die Fachwörter ohnehin erklären, sodass sich das Nachschlagen in jedem Fall lohnt.
Fachjargon hingegen ist zwar in Fachtexten üblich, lässt sich aber bei genauerem Nachdenken nur schwer auf den Punkt bringen. Oft bringt Fachjargon für den Satz nur eine Bedeutungsabtönung oder er lässt sich leicht durch ein gängiges „normal-deutsches“ Gegenstück ersetzen. Das „mithin“ des Seminarteilnehmers ist dafür ein gutes Beispiel. Denn genau genommen bedeutet es nichts anderes als „also“ oder „deshalb“.
Mehr Fachsprache?
In diesem kurzen Blogpost konnte ich das Thema Fachsprache nur streifen. Viele Aspekte habe ich gar nicht angesprochen (z. B. Grammatik in Fachsprache) oder nur gestreift (Fremdwörter und Fachsprache). Was meinen Sie, soll ich mir in weiteren Posts noch andere Aspekte der Fachsprache(n) ansehen? Schreiben Sie mir doch einen kurzen Kommentar, ob Sie das Thema spannend finden.
Hallo Herr Nickl,
Glückwunsch zu Ihrem wunderbaren Artikel! Ich würde es sehr spannend finden weitere Beiträge von Ihnen lesen zu können.