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Die Digitalisierung der Arbeitswelt ist derzeit eines der meist diskutierten Themen. Auch unserer Branche, der Technischen Dokumentation, stehen tief greifende Veränderungen bevor.
Seit Anfang 2016 bin ich Mitglied der tekom-AG „Information 4.0“ und gestalte dadurch diese Veränderungen mit. In der AG arbeiten wir iiRDS aus, einen Standard zur Bereitstellung von intelligenter Information in digitalisierten, vernetzten Umgebungen. Mit diesem Beitrag fasse ich einige meiner Gedanken zum Thema Industrie 4.0 und intelligente Information zusammen.
Einige Begriffe
- Industrie 4.0, digitale Fabrik: Sich selbst steuernde, weitestgehend automatisierte Fertigungsprozesse, die der Mensch nur noch „orchestriert“ und bei Bedarf eingreift.
- Cyberphysikalisches System: Komponente, die aus einem dinglichen Objekt und aus einer digitalen, vernetzten Repräsentation besteht.
- RAMI 4.0: dreidimensionales Referenzarchitekturmodell der Plattform Industrie 4.0. Strukturiert das Thema nach Lebenszklus von Entwurf bis Entsorgung, Hierarchie von Einzelkomponente bis zur umgebenden Cloud und nach Integrationslevel von Objekt („Asset“) bis Geschäftsmodell („Business“).
- Verwaltungsschale: Digitale Repräsentation eines cyberphysikalischen Systems. Enthält beschreibende und identifizierende Eigenschaften, Sensordaten und Zugriffsmöglichkeiten zu digitalen Funktionen.
Technische Dokumentation heute
Für die meisten Akteure im Umfeld Industrie 4.0 findet Technische Dokumentation auf dem sog. „Asset Level“ in der digitalen Fabrik statt. Sie gehen gedanklich vom aktuellen Status quo (oder eigentlich von dem Stand vor zehn Jahren) aus, und der heißt PDF. Dokumente für Installation, Wartung, Betrieb und ggf. Entsorgung werden als Einheiten betrachtet und als abrufbare Eigenschaften in der Verwaltungsschale eingeplant.
Auf diese Granularität zielt wohl auch die in Arbeit befindliche VDI-Richtlinie 2770 zur digitalen Herstellerinformation ab. Für einige Branchen (gerade ältere Industrieanlagen sind in der Regel auf Papier dokumentiert) ist das auch sicher ein Fortschritt. Aber natürlich geht viel mehr.
Intelligente Information
Technische Dokumentation lässt sich viel präziser modularisieren. In vielen Redaktionen wird das bereits heute betrieben, v. a. als Basis des Variantenmanagements: Die Filterung nach Zielgruppen, Sprachen, Gerätevarianten findet heute bereits statt, und zwar beim Publizieren von Dokumentvarianten.
In einer Industrie-4.0-Umgebung lässt sich diese Filterung zum Lesezeitpunkt hin verlagern. Damit werden gezielte Abfragen möglich, die dem Anwender die von ihm benötigte Information passend zu seiner aktuellen Aufgabe bereitstellen.
Dazu werden Metadaten benötigt, die die einzelnen Informationsmodule klassifizieren und identifizieren. Zuordnung zu Hersteller, Gerät, Variante, Komponente und Funktionsgruppe sind ebenso entscheidend wie Sprache, Zielgruppe und Informationstyp. Außerdem erfordert die Integration ein Auslieferungsformat, das sich embedded, mobil und am Schreibtisch sauber anzeigen lässt. Standardisierung ist nötig, damit sich die Dokumentation unterschiedlicher Hersteller zu einer Gesamtinformation integrieren lässt.
Bei der tekom arbeiten wir an einem solchen Standard, dem iiRDS. Die Arbeitsgruppe hat ihre Zwischenergebnisse auf der tekom-Jahrestagung vorgestellt. Der Standard soll Mitte nächsten Jahres verfügbar sein.
Wo am Ende die Informationen bereitgestellt werden, ob direkt beim Komponentenhersteller, beim Anlagenbauer, vor Ort beim Betreiber der digitalen Fabrik oder direkt auf der Komponente, ist dabei offen. Ebenso ist offen, ob die Information auf einem eigenen Content Delivery Server, einem integrierten Webservice oder als Informationsbausteine in einem Asset Management System wie SAP AIN zu liegen kommen. Das abstrakte Konzept der Verwaltungsschale erlaubt hier viele Wege zu gehen.
Die Idee, dass alle (bleiben wir realistisch: möglichst viele) Ersteller von Technischer Information ein gemeinsames Format bereitstellen, um dem Anwender einen integrierten Wissensschatz zu einem aus vielen Komponenten bestehenden System bereitzustellen, erscheint mir auch ohne den direkten Bezug zu Industrie 4.0 ein absolut erstrebenswertes Ziel zu sein – weil es u. a. zu Verbesserungen für das leidige Thema Zulieferdokumentation bringen kann. In der Denkweise des RAMI 4.0 lässt sich die Dokumentation von der untersten Ebene mit PDF-Dokumenten als „Assets“ auf die vierte Ebene, das Information Layer, mit Content-Delivery-Diensten als funktionaler Teil der übergreifenden Verwaltungsschale aufwerten.
Ich bin sehr gespannt auf die kommenden Entwicklungen und wie sich das iiRDS-Format in der Praxis bewähren wird – und auf Ihre Meinung. Wie sind Ihre Erwartungen bezüglich der Digitalisierung der Arbeitswelt? Diskutieren Sie mit uns in den Kommentaren!