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Im Zeitalter der Globalisierung haben viele Unternehmen verstanden, dass die Qualität der Ausgangstexte für die Qualität mehrsprachiger Dokumentation entscheidend ist. Die Quelltexte müssen nicht nur auf sprachlicher Ebene übersetzungsfreundlich sein, sondern sie müssen sich auch für automatisierte Prozesse eignen. Vor diesem Hintergrund können Technische Redakteur:innen ihre Texte nicht mehr losgelöst vom Übersetzungsprozess konzipieren.
Den Versuch eines Standardwerks zu diesem Thema machen Petra Drewer und Wolfgang Ziegler in ihrem Buch „Technische Dokumentation. Übersetzungsgerechte Texterstellung und Content-Management“.
Für jeden was dabei
Das Ziel des Buches haben die Autoren recht hochgesteckt: Sie möchten Einsteiger, Studierende und auch Praktiker, die ihr Wissen systematisieren, vertiefen oder reflektieren möchten, ansprechen. Ihr Buch soll also zugleich als Lehrbuch und als Helfer für die tägliche Arbeit funktionieren. Ihr Ziel ist es, eine ausführliche und praxisnahe Einführung in das Thema übersetzungsgerechte Dokumentationserstellung darzubieten und somit eine Brücke zwischen zwei Welten – der des Technischen Redakteurs und der des Technischen Übersetzers – zu schaffen.
Was die Auswahl der Inhalte angeht, verdient das Buch zweifellos das Prädikat „wertvoll“. Es behandelt sehr systematisch die zentralen Aspekte von Contentmanagement und Übersetzungsmanagement:
- Allgemeine Grundlagen über Technische Dokumentation
- Computergestützte Übersetzung mit TMS
- Übersetzungsgerechte Erstellung und Gestaltung von Technischer Dokumentation
- Terminologie-Management
- Kontrollierte Sprache
- Computergestützte sprachliche Qualitätssicherung und Standardisierung
- Content-Management-Systeme
- Modulbildung
- Varianten-Management
- Metadaten- und Informationsmodellierung
- Funktionalitäten von CMS
- Spezielle Prozesse im CM: Änderungs-, Übersetzungs-, Prozessmanagement
Das Buch schafft für jedes dieser Themen eine solide theoretische Grundlage, ohne bei Adam und Eva anzufangen. Dieses Grundlagenwissen wird durch Erkenntnisse aus der Praxis ergänzt und durch zahlreiche Abbildungen illustriert.
Eine feste Grundlage
Der Hauptnutzen des Buches besteht darin, dass der Leser oder die Leserin sich tief einarbeiten kann und wirklich begreift, welche Tragweite die Entscheidungen auf der CMS-Seite später auf die Arbeit mit dem TMS haben.
Thematisch gesehen erfüllt das Buch sicher Vollständigkeitsansprüche. Der Aufbau ist übersichtlich und sinnvoll, daher für den Leser auch gut nachvollziehbar. Auch werden alle Schlüsselbegriffe erklärt; das Stichwortverzeichnis ist sehr umfangreich, sodass man vom Schlagwort schnell zum Inhalt kommt. Nur ein Glossar würde das Gesamte noch abrunden.
Besonders erfreulich ist, dass die Autoren für viele Fragen – meines Erachtens zu Recht – keine Patentrezepte vorstellen, sondern mehrere Verfahren mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen beleuchten und auf mögliche Fallen aufmerksam machen. So kann sich der Leser ein eigenes Bild machen und eigenständig handeln. Auch der reflektierende Praktiker profitiert sehr, denn er bekommt die Möglichkeit, mit etwas Distanz einen Abgleich zu machen zwischen seinem Projektalltag und dem aktuellen Stand der Technik.
Zusätzlich hat der Leser die Möglichkeit, Aktualisierungen und weitere Informationen über einen kostenlosen Online-Service des Verlags zu erhalten.
Wirklich reichhaltig, aber …
Es kostet einem als Leser ziemlich Mühe, diese Inhalte zu erschließen, denn leider schaffen es die Autoren nicht immer, die Komplexität der Sachverhalte durch die passende Formulierung und/oder Darstellung zu reduzieren.
Der Spagat zwischen dem wissenschaftlichen Anspruch und der Verständlichkeit gelingt insbesondere nicht, wenn es sich um vordergründig besonders abstrakte Sachverhalte wie Modularisierungskonzepte oder Metadaten handelt. Zusätzlich wird die Lesbarkeit an manchen Stellen durch Quellennachweise als Einschub mitten im Satz verschlechtert. Dies kann in abstrakteren Passagen zu einer echten Hürde werden und entwickelt sich in jedem Fall zu einem Stolperstein für den Praktiker, der schnell etwas nachschlagen will.
Die detaillierte Darstellung der Sachverhalte führt zu einer sehr hohen Informationsdichte. Der Textfluss wird zwar hier und dort von Zwischenüberschriften und Abbildungen unterbrochen, aber insgesamt ist das Layout sehr textlastig. Die Grafiken sind recht unterschiedlicher Qualität. Dass man Abstriche bei Screenshots machen muss, ist nachvollziehbar. Doch würde man zumindest eine einheitliche Anmutung und Qualität bei den Informationsgrafiken erwarten. Auch ist der Text-Grafik-Bezug nicht immer eindeutig.
Insgesamt würde ich mir wünschen, dass die Anforderungen an die Textverständlichkeit, wie sie für die technische Dokumentation gelten, eingehalten würden.
Der Zugang zu den Informationen könnte unter anderem durch eine entsprechende optische Aufbereitung der Inhalte deutlich erleichtert werden. Auch zusätzliche Verarbeitungshilfen wie Zusammenfassungen oder klar gestaltete Übersichten würden eine effizientere Arbeit mit dem Buch ermöglichen. In Anbetracht dessen, dass das Buch als Standardwerk für Studierende empfohlen wird, wären solche unterstützende Mittel sehr wünschenswert.
Fazit: Kein Rezeptbuch für die schnelle Küche
Wer wenig Zeit für die Erarbeitung der Inhalte hat oder schnelle Antworten auf spezielle Fragen sucht, wird wahrscheinlich nicht ganz glücklich. Wer den aktuellen Stand der Technik und wichtige Fragestellungen zusammengefasst haben will, wird das Buch sehr schätzen. Und wer sich gründlich einarbeiten will und die Zeit hat, sich die Inhalte auf verdaubare Häppchen aufzubereiten, wird sehr profitieren.
Literatur: Prof. Dr. Petra Drewer (Autor), Prof. Dr. Wolfgang Ziegler (Autor)
[2. Auflage, 2014]: Technische Dokumentation – Übersetzungsgerechte Texterstellung und Content-Management. Vogel Buchverlag, Würzburg, 508 Seiten
Hinweis: Das hier besprochene Buch wurde uns vom Verlag kostenfrei als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Der Verlag hat keinerlei Einfluss auf den Inhalt dieser Besprechung genommen.