Vor einem Monat habe ich hier über die Pomodoro-Technique gebloggt, eine Zeitmanagement-Methode, auf die ich bei Twitter gestoßen bin und die ich recht interessant fand. Was hat sich nun in der Zwischenzeit getan?
Mit viel Enthusiasmus bin ich in das Projekt Pomodoro gestartet. Zugegeben: Entgegen der Empfehlungen von Pomodoro-Erfinder Francesco Cirillo habe ich – Nerd, der ich bin – keinen echten Wecker verwendet, sondern eine Softwarelösung, den Flowkeeper. Vielleicht ein Fehler, aber ein echter Wecker schien mir dann doch zu viel des Guten. Aber dennoch: Ich habe das Projekt mit viel gutem Willen und Konsequenz gestartet.
Echt klasse…
Zu Beginn zeigte sich auch gleich, dass die Methode hält, was sie verspricht. Mit Pomodoro lässt sich wirklich konzentriert arbeiten, konzentrierter jedenfalls als einfach nur mit gutem Willen. Einen Effekt hatte ich vorher nicht vermutet: Pomodoro ist hervorragend als Entschuldigung (vor sich selbst und vor anderen) verwendbar: „Nein, ich kann jetzt nicht, muss erst noch mein Pomodoro fertigbringen.“ Das sagt sich schon einfacher als „Kann jetzt nicht“, denn man hat ja eine Begründung.
Mit den eingebauten Pausen ergibt sich sogar ein gewisse „Entschleunigung“ des Arbeitsalltags. Die Pausen sind zwar in Summe nicht mehr, aber sie sind effektiver. Mal fünf Minuten beim Kaffeeholen hängen geblieben? Passiert nicht mehr; dafür genießt man die geplanten Pausen aber bewusster.
… aber andererseits
Pomodoro kann Andere schon ganz schön nerven. Nicht nur durch rappelnde Wecker. Sondern durch das ständige Vertrösten auch bei kleinen Anliegen. Mit der Zeit habe ich so eine Art Tomato-Eskalation festgestellt. Ich vertröste auf später, dann kann mein Ansprechpartner nicht, dann müsste ich wieder mein Pomodoro unterbrechen usw. Ganz schön viel Overhead für eine kurze Abstimmungsrunde. Und z. B. mehrere Telefonate in einem Pomodoro zusammenzufassen, hat sich bei mir schlicht als Ding der Unmöglichkeit erwiesen.
Für die Kollegen andererseits ist man weniger greifbar, baut eine unsichtbare Wand um sich auf. Wir pflegen bei doctima eigentlich eine Politik der offenen Tür. Da ist es schon als Warnsignal zu sehen, wenn ein Kollege fragt „Kann ich dich mal was Dringendes fragen oder störe ich dann dein Pomodoro?“ Wenn meine höhere Effizienz durch höhere Ineffizienz bei Anderen erkauft ist, dann ist das ein Preis, den ich nicht zu zahlen bereit bin.
Problematisch ist mir schließlich noch ein Punkt aufgefallen, an den ich zunächst gar nicht gedacht hatte. Ich musste feststellen: Mit der Zeit bin ich einfach weniger informiert, was gerade so läuft. Denn durch die konsequenten Pausen fällt viel von dem Flurfunk unter den (Pausen)Tisch, den man sonst so mitbekommt. Das betrifft ja nicht nur Klatsch und Tratsch. Sondern auch viel von dem, was man im Wissensmanagement mit informellen Wissensprozessen bezeichnet. Welche Projekte laufen gerade? Wo nervt die Kollegen etwas? Wer hat eine coole neue Idee? Informelle Wissensprozesse werden schwierig in einer Pomodoro-Umgebung. Denn sie leben ja genau davon, dass man sie nicht in ein festes Raster presst.
Und jetzt?
Tja, was anfangen mit den Pomodoros? Denn eines ist klar: Das ist eine tolle Methode, die hält, was sie verspricht. Auf jeden Fall aber sollten die Kollegen wissen, was man da vorhat. Denn keiner ist eine Insel (auch wenn man vielleicht gerade gerne auf einer wäre :-). Und Pomodoros haben einen massiven Einfluss auf die Kollegen.
Dann habe ich da noch den Verdacht, dass die Pomodoro-Methode besser zu Leuten passt, die hauptsächlich im Rahmen von ein, zwei übergeordneten Projekten kommunizieren. Wenn der Arbeitstag wie bei mir von Besprechungen und Telefonaten bestimmt ist, stößt man anscheinend schnell an Grenzen.
Also, was meint ihr? Schreibt mir eure Kommentare. Ist das wirklich alles nur Ketchup? Oder sollte ich dran bleiben und dem Ganzen noch eine Chance geben?
Nachdem ich eine Weile zunehmend irritiert “Pornodormo” gelesen habe, meine wenig spektakuläre Meinung zu methodischen Effiziensteigerungen:
Solange ich es mir leisten kann, leiste ich mir das organisierte Chaos, bzw. die chaotische Ordnung. Das macht mir den Alltag sicher nicht immer einfacher, ist aber immerhin MEIN -äh- System. Ich brauche nicht zu befürchten, durch ein Update plötzlich und fremdbestimmt wieder neue Regeln anwenden zu müssen. Als Redakteur ja sowieso schon in ein ziemlich enges Regelkorsett gezwängt, da genieße ich die Freiheit, in den Bereichen in denen es möglich ist, zufalls-, lust- und launenbestimmt zum Ziel zu kommen.
Das ist keine grundsätzliche Kritik am Zeitmanagement und den angebotenen Systemen, nur ich als erklärter Nicht-Nerd mach da zunächst mal weiterhin einen Bogen drum. Und wenn es eines Tages dann doch mal unumgänglich erscheint, mache ich mich bestimmt gleich morgen, bzw. dem Tag danach daran…
[http://de.wikipedia.org/wiki/Prokrastination]
Die Pomodoro Technik kannte ich noch gar nicht und habe mir jetzt mal das Video auf der verlinkten Website angesehen und mich ins Thema eingelesen. Das macht schon Sinn mit den 25 Minuten Abschnitten und der Pauseneinteilung und ich werde es wohl mal im Arbeitsalltag ausprobieren. Ich suche ja schon länger nach einem effektiven Zeitmanagement, da es oft vorkommt, dass man sich durch e-Mails oder andere Dinge ablenken lässt und im Arbeitsfluss unterbrochen wird. Wenn man natürlich auf viel Kommunikation angewiesen und ständig telefonisch in Kontakt ist, dann wird es allerdings schon schwieriger, die Arbeitsphasen konsequent durchzuhalten.