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Der klassische Redaktionsleitfaden (RLF) fristet in vielen Unternehmen ein Schattendasein: Als PDF im Netzwerk abgelegt, selten aktualisiert und noch seltener konsultiert. Dabei könnte er ein wertvolles Werkzeug für konsistente und effiziente Redaktionsarbeit sein. In unserem Webinar „Redaktionsleitfäden – aber in cool“ haben wir uns angeschaut, wie sich dieses unterschätzte Instrument in ein lebendiges, wirklich nützliches Tool für Technische Redaktionen verwandeln lässt.
Die Probleme klassischer Redaktionsleitfäden
Unsere Umfrage im Webinar zeichnet ein klares Bild: Die meisten Teilnehmer:innen arbeiten mit PDF-Redaktionsleitfäden (40%). Nur wenige stellen ihn online bereit (20%) oder verwalten ihn mit einem Tool (CMS, Confluence oder ähnliches, 10%). Die damit verbundenen Probleme sind vielfältig:
- Mangelnde Aktualität und fehlende zentrale Verwaltung
- Zu umfangreiche, unübersichtliche Inhalte
- Schwierige Suche nach spezifischen Themen
- Fehlende Ressourcen für regelmäßige Pflege
Diese Herausforderungen verhindern, dass der Redaktionsleitfaden seinen eigentlichen Zweck erfüllt: die tägliche Arbeit der Technischen Redaktion zu erleichtern.
Vier Schritte zum erfolgreichen Redaktionsleitfaden
1. Eine verantwortliche Person benennen und klare Ziele setzen
Der erste wichtige Schritt ist, einen Hüter oder eine Hüterin des Redaktionsleitfadens zu bestimmen. Diese Person muss nicht Expert:in für alle Themen sein, sondern vor allem als Koordinator:in fungieren und dafür sorgen, dass der Redaktionsleitfaden regelmäßig gepflegt wird.
Gleichzeitig ist es essenziell, die Zielgruppe und den Zweck des Leitfadens klar zu definieren. Fragen Sie sich: Für wen erstellen wir diesen Leitfaden und welche Probleme soll er konkret lösen?
2. Klein anfangen und das richtige Format wählen
Sie müssen nicht sofort einen umfassenden Redaktionsleitfaden erstellen. Beginnen Sie mit den häufigsten Fragen und dringendsten Themen:
- Sammeln Sie die Top-10-Fragen in Ihrem Redaktionsteam
- Starten Sie mit einer überschaubaren Struktur
- Wählen Sie ein zukunftsfähiges Format
Das Problem beim PDF ist die oft fehlende Aktualität und schlechte Auffindbarkeit. Besser ist ein zentrales, digitales Format wie ein Help Center oder eine Intranet-Lösung, das leicht aktualisierbar und für alle zugänglich ist.
3. Inhalte begradigen und praxisnah gestalten
Ein effektiver Redaktionsleitfaden konzentriert sich auf das Wesentliche:
- Entfernen Sie veraltete oder irrelevante Inhalte
- Grenzen Sie klar ab, was in den RLF gehört und was nicht
- Fokussieren Sie sich auf praxisnahe, konkrete Beispiele
- Nutzen Sie Checklisten für komplexe Abläufe
Als Faustregel gilt: Der RLF sollte das Know-how und „Know-what“ vermitteln, aber nicht unbedingt das „Know-why“. Detailinformationen zu Software-Handling oder umfangreiche Begründungen können in Schulungen oder andere Formate ausgelagert werden.
4. Kollaborativ arbeiten und kontinuierlich pflegen
Ein Redaktionsleitfaden ist nie fertig, sondern entwickelt sich mit Ihrem Unternehmen weiter. Er ersetzt auch nicht die Kommunikation im Team. Er gibt zwar alle wichtigen Vorgaben wieder, aber es kann immer sein, dass Inhalte fehlen oder veraltet sind.
Schaffen Sie klare Prozesse für Feedback und Aktualisierungen. Wenn Änderungsvorschläge im Sande verlaufen, sinkt die Motivation zur Nutzung schnell.
Vom PDF zum modernen Help Center
Wir haben im Webinar gefragt: Was würde einen Redaktionsleitfaden wirklich cool machen? Das waren die wichtigsten Punkte unserer Teilnehmer:innen:
- Gute Suchfunktion für schnelles Finden von Informationen
- Praktische Checklisten für den Arbeitsalltag
- Übersichtliche Struktur mit klarer Navigation
- Konkrete Praxisbeispiele statt abstrakter Regeln
Wie ein Teilnehmer treffend formulierte:
„Ein Redaktionsleitfaden ist dann cool, wenn das Team bei einer Frage als Erstes dort nachschaut.“
Ein modernes Help Center bietet gegenüber dem klassischen PDF zahlreiche Vorteile:
- Zentrale Quelle: Eine einzige, für alle zugängliche Version
- Einfache Aktualisierung: Änderungen sind sofort verfügbar
- Bessere Auffindbarkeit: Durch Suchfunktion und klare Navigation
- Einsatz von Multimedia: Integration von Videos und interaktiven Elementen
Für technisch versierte Teams kann ein Help Center direkt aus dem Contentmanagement-System (z.B. Schema ST4) als HTML-Produktion erzeugt werden. Ohne CMS bieten sich Plattformen wie Confluence, OneNote oder Ihr Intranet an.
Redaktionsleitfäden in modernen Redaktionen
Sie sehen: Ein moderner, effizienter Redaktionsleitfaden ist kein statisches Regelwerk, sondern ein lebendiges Instrument, das die tägliche Arbeit der Technischen Redaktion unterstützt. Daher ist das Zusammenspiel mit anderen Themen oder Instrumenten der Technischen Redaktion wichtig. Hier gilt es, Synergien zu nutzen oder auch bewusst Grenzen zu setzen.
Redaktionsleitfaden und Terminologie
Die Verbindung von Terminologiearbeit und Redaktionsleitfaden beschäftigt viele Teams. Es gibt viele Überschneidungen und so ist man versucht, dieses Thema quasi im Leitfaden mit abzuhandeln.
Unser Tipp: Trennen Sie die Terminologie vom Redaktionsleitfaden. Behandeln Sie Terminologie als eigenständiges Thema. Sprechen Sie im RLF nur über allgemeine Vorgaben zur Terminologieeinhaltung und verweisen Sie auf das zentrale Terminologiesystem. Und nehmen Sie auf keinen Fall die komplette Terminologiedatenbank im RLF auf.
Redaktionsleitfaden und KI
Künstliche Intelligenz eröffnet völlig neue und spannende Möglichkeiten für Redaktionsleitfäden. Haben Sie diese Entwicklungen und neue Möglichkeiten im Blick:
- Chatbots zur schnellen Beantwortung häufiger Fragen
- KI-gestützte Suchfunktionen für präzisere Ergebnisse
- RAG-Modelle (Retrieval Augmented Generation), die auf Basis des RLF arbeiten
Beim Einsatz von KI muss unbedingt auf typische Probleme wie Halluzinationen geachtet werden. Diese können aber durch den RAG-Ansatz und die Nutzung von Knowledge Graphen zum Gegencheck umgangen werden.
Der Redaktionsleitfaden als lebendiges Werkzeug
Der Wandel vom PDF zum interaktiven Help Center mag zunächst aufwendig erscheinen, zahlt sich aber durch höhere Nutzung und bessere Konsistenz in Ihrer Dokumentation aus.
Entscheidend ist dabei nicht die technische Perfektion, sondern die Praxistauglichkeit. Beginnen Sie klein, bleiben Sie am Ball und orientieren Sie sich an den tatsächlichen Bedürfnissen Ihrer Redakteur:innen. So wird aus dem verstaubten PDF ein wirklich „cooler“ Redaktionsleitfaden, in den ihr Team bei Fragen sicher als Erstes hineinschaut.