Terminologie sollte nicht Sprache standardisieren, sondern Probleme lösen. Das klingt auf den ersten Blick wie eine Binsenweisheit. Aber warum tun Terminologieprozesse das so oft nicht? Vielleicht, weil gar nicht klar ist, was eigentlich ein Problem ist. Wir haben uns deshalb bei Terminolog:innen und Technischen Redakteur:innen umgehört, welche Herausforderungen sie eigentlich mit Terminologiearbeit lösen wollen. Danach haben wir uns die Frage gestellt, was eigentlich „gute“ Probleme sind.
Wo liegt denn das Problem?
Bei Messen, Vorträgen oder Community-Treffen kommt man ja schnell ins Gespräch. Ich nutze die Gelegenheit gerne zu fragen, welche Probleme mein Gegenüber mit Terminologie löst oder lösen will. Natürlich sind diese Umfragen nicht wissenschaftlich valide. Aber das müssen sie auch nicht sein. Ich will ja nur wissen, wie Redaktionen über Terminologie nachdenken. Die Antworten waren sehr verschieden, aber die folgenden Punkte decken den Großteil ab:
- Verständlichkeit,
- einheitliche Sprache im Unternehmen,
- inkonsistente Benennungen vermeiden,
- Qualitätsverbesserung,
- Missverständnisse vermeiden.
Mein persönliches Highlight war übrigens: „Damit wir nicht wie Idioten aussehen.“ Tja, wer will das nicht?
Aber zurück zu den Antworten und einer harten Aussage: Alle genannten Probleme sind eigentlich gar keine Probleme. Es sind viel mehr Zielvorstellungen oder bestenfalls die Symptome von Problemen. Für effiziente und effektive Lösungen ist es aber wichtig, erst die Probleme zu identifizieren und möglichst genau zu benennen, bevor man mit der Terminologiearbeit beginnt.
Was ist ein „gutes“ Problem?
Ein Problem sollte sich möglichst konkret benennen lassen. Es sollte einen Schmerz verursachen, der sich beobachten und im Idealfall messen lässt (z. B. gestiegene Anzahl an Serviceanfragen, erhöhter Zeitaufwand etc.). Und: Im Idealfall sollte es einen Bezug zu den Unternehmenszielen aufweisen, also diese behindern oder gefährden.
Sehen wir uns das mal anhand einer Antwort an, die ich am häufigsten genannt bekomme: „Die sprachliche Qualität“. Ist Qualität ein Problem? Nein, sie ist eine Eigenschaft, die im Wesentlichen neutral ist.
Sogar schlechte Qualität ist per se kein Problem, solange sie keinen Schaden verursacht. Wenn unsere Produktbezeichnungen Kraut und Rüben sind, dann schadet das erst mal nicht, solange sich Kund:innen nicht beschweren, alle Kolleg:innen wissen, was gemeint ist und keine rechtlichen Konsequenzen zu erwarten sind.
Umgekehrt würde sogar hohe Qualität eventuell zu Problemen führen, weil sie oft für unnützen Zeit- und Kostenaufwand sorgt. Genauer gesagt wäre nicht „hohe Qualität“ das Problem, sondern: „Wir betreiben einen hohen Aufwand, um eine sprachliche Qualität herzustellen, die uns nichts nützt.“
Nachdem wir nun wissen, was ein gutes Problem ausmacht, stellt sich die Frage, wie wir diese Probleme systematisch identifizieren können.
Probleme (gut) finden
Es ist oft gar nicht so leicht, dem eigentlichen Problem auf die Spur zu kommen. Oft muss man sich dem Kern eines Problems langsam annähern. Manchmal sind auch mehrere Probleme vorhanden und gelegentlich sind diese miteinander gekoppelt. Oder ein Problem erzeugt neue, wenn es gelöst wird.
Wir wissen aus eigener Erfahrung in unseren Workshops, dass die Problemidentifizierung nicht immer leicht ist. Aber es lohnt sich!
Genau deshalb sollte übrigens auch zu Beginn jeder Terminologiearbeit nicht die Zielsetzung und Planung stehen, wie Terminologie im Unternehmen umgesetzt werden kann. Mit unserem Ansatz für modernes Terminologiemanagement – Bare Bones Terminology – starten wir ganz anders:
- Welche Probleme sind aktuell dringlich?
- Wie sehen diese Probleme genau aus?
- Wie lassen sie sich messen und beschreiben (denn dadurch können wir erkennen, wann sie gelöst sind)?
Erst dann lässt sich entscheiden, ob das Problem mit terminologischen Mitteln überhaupt lösbar ist und ob die eigenen Gestaltungsspielräume eine Lösung zulassen.
Wichtig ist auch, sich immer nur auf ein Problem zur selben Zeit zu konzentrieren (oder ein verknüpftes Problembündel). Und wichtig ist, nichts weiter zu tun, sobald das Problem gelöst ist. Beide Punkte sind wichtige Bestandteile unseres Bare-Bones-Ansatzes. Denn mehr Arbeit an einem bereits gelösten Problem ist nicht besser, sondern nur unnützer Aufwand.
Wenn Sie jetzt noch einmal über Ihre Terminologiearbeit nachdenken: Welche Probleme lösen Sie damit – und sind das wirklich Probleme?