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Arbeiten in der Cloud wird zunehmend zur Normalität. Auch in der Technischen Redaktion sind Cloud-Anwendungen sehr verbreitet. Sowohl Contentmanagement-Systeme und Übersetzungswerkzeuge als auch Terminologie-Management lassen sich cloudbasiert einsetzen. Doch in jüngster Zeit mehren sich wieder Stimmen, die Cloud-Anwendungen kritisch sehen. Was spricht also für das Arbeiten in der Cloud und wo liegen die Risiken?
Wolke 7
Cloud-Anwendungen haben einige Vorteile, die sie auch für Technische Redaktionen attraktiv machen. Der augenfälligste Vorteil ist die Flexibilität, was den Arbeitsort angeht. Cloud-Anwendungen lassen sich – vorausgesetzt, ein Internetzugang ist vorhanden – auch außerhalb des Unternehmens an fast beliebigen Orten nutzen. Oft gibt es auch Apps für mobile Geräte, sodass der schnellen Nutzung auf dem Smartphone nichts im Wege steht.
Auch betriebswirtschaftlich kann eine Cloud-Lösung attraktiv sein, denn hier entfallen die Kosten für Softwarelizenzen, die sonst über mehrere Jahre abgeschrieben werden müssen. Die Softwaremiete – also die Nutzungsgebühr für die Cloud-Anwendung – wird hingegen sofort ergebniswirksam. Gleichzeitig schont das Mietmodell die Liquidität der Unternehmen. Große Softwarelösungen bedeuten oft ein deutliches Investment, das nicht jedes Unternehmen leicht stemmen kann.
Zu guter Letzt ermöglichen Cloud-Anwendungen auch eine Vereinfachung in der IT-Infrastruktur der Unternehmen. Sie lassen sich meist auch mit weniger leistungsfähigen Rechnern bedienen. Außerdem übernimmt der Cloud-Anbieter die Datensicherheit und den Datenschutz für seine Kunden.
Dunkle Wolken
Diesen Vorteilen steht ein gewichtiger Nachteil entgegen, der zunehmend mehr europäische Unternehmen besorgt. Cloud-Anwendungen werden mehrheitlich von US-Unternehmen angeboten oder gehostet. Oft stehen auch die Serverfarmen, auf denen die Anwendungen laufen, in den USA. Dies ist in mehrfacher Hinsicht problematisch.
Zum einen ist die Grundlage für den Datenaustausch zwischen Europa und den USA – sagen wir mal vorsichtig – fragil. Nachdem sowohl das Safe-Harbor-Abkommen als auch dessen Nachfolger Privacy Shield vor Gericht keinen Bestand hatten, gibt es mittlerweile als Grundlage für die Zusammenarbeit lediglich eine Exekutivanordnung der Biden-Regierung. Diese kann jederzeit gekündigt werden, wie dies mit so vielen Anordnungen der vergangenen US-Regierung bereits geschehen ist.
Gleichzeitig stehen seit vielen Jahren Zweifel im Raum, ob US-Behörden wirklich die Geschäftsgeheimnisse von europäischen Unternehmen wahren, auf deren Daten sie zugreifen können. Denn der US-CLOUD-Act verpflichtet Anbieter, Daten internationaler Kunden auch dann herauszugeben, wenn diese Daten durch Gesetze des Heimatlands (z. B. DSGVO) geschützt sind. Hier hilft es auch nicht, auf europäische Anbieter auszuweichen, solange diese ihre Anwendungen durch amerikanische Firmen hosten lassen.
Wolken ziehen auf
Ich beschäftige mich seit 30 Jahren mit IT und in dieser Zeit gab es immer eine Wellenbewegung zwischen lokal und dezentral bereitgestellten Diensten. Momentan sind Cloud-Lösungen der Stand der Technik. Doch die Cloud braucht vor allem eines: Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Anbieters. Denn als Kunde macht man sich bei einer Cloud-Anwendung langfristig abhängig von einigen wenigen Anbietern. Dieses Vertrauen beginnt in einem zunehmend erratischen wirtschaftlichen und politischen Umfeld zu erodieren. Es bleibt deshalb die Frage, ob der Wellenkamm des Trends Cloud bereits überschritten ist.
Insbesondere forschungsstarke mittelständische Unternehmen (Hidden Champions) sollten also bei Cloud-Lösungen vorsichtig sein: Sie verfügen weder über die Verhandlungsmacht der Konzerne, noch haben sie einen Überblick darüber, welche Cloud-Lösungen rein europäisch betrieben werden.
Technische Redaktionen wiederum sind in der Cloud-Strategie von Unternehmen oft ein blinder Fleck, da sie ja vermeintlich nur „Texte schreiben“. Tatsächlich haben Technische Redaktionen aber immer mit sensiblen Daten zu tun. Sie nutzen für ihre Arbeit Entwicklerdaten und weitere sensible Informationen und Geschäftsgeheimnisse.
Deshalb sollten Technische Redaktionen bei Systementscheidungen – seien es KI-Anwendungen oder redaktionelle Lösungen – eine strukturierte Risiko-Abwägung vornehmen und die Bequemlichkeit von Cloud-Anwendungen den wachsenden Risiken gegenüberstellen. Entscheidet sich eine Redaktion für eine Cloud-Anwendung, so sollte sie eine Ausfallstrategie entwickeln, damit die Arbeit mit einer cloud-basierten Lösung auch bei politischem oder technischem Gegenwind noch möglich ist. Denn nur mit einem planvollen Vorgehen arbeitet man in der Cloud auch langfristig auf Wolke 7.