Preiswerte Redaktionssysteme gibt es viele, höherpreisige ebenso, aber kennen Sie den Anbieter des teuersten Redaktionssystems? Er heißt DIY. Ja, genau, denn „Do It Yourself“ ist richtig teuer, wenn es um die Technische Redaktion geht. Nehmen Sie sich also ein wenig Zeit, unsere Erfahrungen als Dienstleister kennenzulernen, bevor Sie selbst Hand anlegen.
Maßgeschneidert sitzt?
Der Gedanke liegt ja nahe, dass ein maßgeschneidertes System die Bedürfnisse der eigenen Redaktion am besten abdecken kann. Noch dazu, wenn man die entsprechende programmiertechnische Kompetenz ohnehin schon im Haus hat. Doch aus dem hausgemachten CCMS (Component Contentmanagement System) wird nur selten ein Maßanzug. Zum einen, weil der notwendige Funktionsumfang bei einem CCMS ziemlich groß ist. Wir programmieren uns ja heutzutage auch keine Textverarbeitung mehr selbst, obwohl Word und Co. deutlich einfacher sind als moderne CCMS.
Zum anderen sind die Bedürfnisse Technischer Redaktionen zwar zahlreich, aber im Kern immer die gleichen: Standards einhalten, modularisieren, Übersetzungsprozesse steuern, unterschiedliche Medientypen bereitstellen etc. Zieht man den Vergleich zur maßgeschneiderten Lösung, dann geht es bei dem Kleidungsstück also nicht um einen Anzug, sondern eher um eine Funktionsjacke: Soll viel können, besteht aus ungewöhnlichem Material und muss flexibel für verschiedene Situationen anpassbar sein. Konfektion schlägt also Maßanfertigung – auch bei Redaktionssystemen.
Vorteil Standard
Component Contentmanagement-Systeme (CCMS) sind Softwarelösungen, die eine deutliche Investition bedeuten. Im ersten Moment scheinen die Aufwände für interne Entwicklungsleistungen sich dagegen recht überschaubar zu verhalten. Noch attraktiver erscheint dieses Verhältnis, wenn die Entwicklung in Zeiten mit schwacher Auftragslage erfolgen kann.
Wo liegen aber dann die Vorteile einer Standardlösung für die Technische Redaktion? Ein erster Punkt sind die tatsächlichen Kosten: Der Aufwand für eine funktionierende Redaktionslösung ist leicht zu unterschätzen. Nur dann scheinen die Entwicklungskosten für eine Eigenentwicklung gering. CCMS sind komplexe Softwarepakete, die teilweise seit 25 Jahren kontinuierlich weiterentwickelt werden. Zwar wird man vermutlich nicht jede Funktionalität einer ausgereiften Redaktionslösung brauchen. Aber mit mehreren Personenjahren Entwicklungszeit sollte man schon kalkulieren, wenn die eigene Redaktion ähnlich leistungsfähig sein soll wie Redaktionen mit Standardsystemen.
Und hier liegt das nächste Problem der Eigenkreationen: die Zeit. Selbst programmierte Lösungen brauchen lange, bis sie operativ sind. Auch wenn sie dann einmal im laufenden Betrieb sind, haben sie ein Zeitproblem. Denn jede Neuentwicklung muss in die knappen Zeitbudgets der Entwickler passen. Die Branchenlösungen der Technischen Redaktion lassen sich hingegen oft von den Nutzer:innen selbst für vielfältige neue Einsatzzwecke anpassen. Oder ein Dienstleister kümmert sich um die Anpassungen und erledigt die Aufgabe mit Priorität statt nebenbei, wenn gerade einmal dafür Zeit ist. Und die kontinuierliche Weiterentwicklung des Systems übernimmt selbstverständlich der Hersteller, sodass auch hier kein Zeitengpass auftritt.
Ein letztes Problem der Eigenlösungen ist die mangelnde Innovativität. Durch seine Funktionsvielfalt regt eine Standardlösung schon ganz allgemein zu neuen Abläufen und Arbeitsweisen an. Funktionalitäten, die sich in anderen Redaktionen bewährt haben, sind zumindest einen Blick wert, ob sie nicht auch in der eigenen sinnvoll sein könnten. Hinzu kommt: Hersteller von Standardsoftware sind ganz anders im Markt der Technischen Kommunikation eingebunden als das normale Unternehmen sein können. Sie bekommen dadurch schnell neue Trends mit und erhalten von zahlreichen Kunden Feedback, welche Funktionalitäten die Arbeit voranbringen. Dadurch kommt es zu einer kontinuierlichen Weiterentwicklung mit neuen Funktionalitäten. Ein selbst gebautes Redaktionssystem kann diese Innovativität naturgemäß nicht leisten.
Wann selbstgemacht doch besser ist
Für selbstgemachte Lösungen spricht also nicht viel. Allerdings gibt es eine Situation, in der sich das Basteln doch lohnt. Nämlich immer dann, wenn die Kapitalgeber im Management den Sinn einer professionellen Lösung nicht einsehen. Laut tekom-Studie zur Digitalisierung nutzen 25% der Technischen Redaktionen noch kein CMS. Dann wird Ihnen nichts anderes übrig bleiben, als mit einem selbstgebauten System zu arbeiten. Zwar verliert ihr Unternehmen dabei mittelfristig Geld. Doch die Kosten verstecken sich im sogenannten „Ehda-Block“. Das sind Kosten, die bereits eingepreist (also „eh schon da“) sind und deshalb nicht mehr infrage gestellt werden, z. B. Personalkosten oder Druckkosten.
Wenn Sie sich in dieser Situation befinden, dann sollten Sie zum einen nicht aufgeben und weiter versuchen, eine professionelle Lösung durchzusetzen. Für den Notbehelf, den Sie sich in der Zwischenzeit notgedrungen aufbauen müssen, sollten Sie aber wenigstens auf die Kombination aus quelloffenen Formaten (XML) und Standardbausteinen (z. B. Editoren, Parsern etc.) setzen. Dadurch können Sie sich zumindest eine ansatzweise leistungsfähige Umgebung aufbauen. Und Sie halten sich den Weg offen für die Zeit, wenn ihr Management endlich versteht, dass auch Sie professionell arbeiten müssen.
FAQ
Die Entwicklung eines hausgemachten CMS erfordert enorme Zeit- und Personalressourcen. Dazu fehlt dem System oft die Funktionalität und ständige Weiterentwicklung, wie bei Standardsystemen.
Die Anforderungen an moderne CCMS sind sehr komplex und im Kern für alle Technischen Redaktionen ähnlich. Wie bei einer Funktionsjacke zählen hier Vielseitigkeit und Anpassungsfähigkeit mehr als individuelle Maßarbeit.
Standardlösungen bringen jahrelange Entwicklungserfahrung mit, werden kontinuierlich aktualisiert und bieten innovative Funktionen. Sie profitieren vom Feedback vieler Nutzer und Markttrends. Anpassungen können meist selbst oder durch Dienstleister vorgenommen werden.
Eine Eigenentwicklung kann als Übergangslösung sinnvoll sein, wenn das Management kein Budget für ein professionelles CCMS bereitstellt. Wichtig ist dann die Nutzung von XML und Standardbausteinen, um später den Umstieg auf ein Standardsystem so einfach wie möglich zu machen.