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Wenn die sogenannten Boomer in Rente gehen, fehlt nicht nur deren Arbeitskraft in der Technischen Redaktion. Fast noch schlimmer ist, dass mit ihnen ein reicher Schatz an Erfahrungen, Kenntnissen und Fähigkeiten verloren geht. Was Boomer in über 30, 40 Jahren Berufsleben an gelebtem Wissen erworben haben, das lässt sich auch durch eine noch so fundierte Ausbildung nicht ersetzen. Hinzu kommen die gewachsenen Beziehungen, die Boomer zu anderen Abteilungen, zu Kunden, Lieferanten und innerhalb der Branche aufgebaut haben.
Angesichts der großen Umwälzungen, die die Technische Kommunikation in den letzten Jahren erlebt hat, vergisst man diese Faktoren leicht. Erst wenn sie fehlen, werden sie uns schmerzhaft bewusst. Wir wollen uns deshalb einmal ein paar Maßnahmen ansehen, die helfen können, den Braindrain in den Technischen Redaktionen abzumildern.
Arbeiten jenseits der Rente
Am besten ist es natürlich, wenn das Wissen der Boomer die Unternehmen gar nicht erst verlässt. Viele Leute können sich vorstellen, länger zu arbeiten, allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. Dazu gehört, dass die Arbeitszeit flexibler gestaltet werden kann als im vorherigen, regulären Arbeitsleben. Auch kann es für viele attraktiv sein, eine neue Aufgabe zu übernehmen, z. B. sich in einem Mentoring- oder Coaching-Programm zu engagieren. Andere Aufgaben, die das Wissen der Neu-Rentner sichern, wären zum Beispiel auch der Aufbau einer Wissensdatenbank oder die Gestaltung einer Ausstellung zur Firmenhistorie.
Debriefing-Interviews
Debriefing-Interviews sind seit Langem eine bewährte Methode aus dem Wissensmanagement, mit der sich das Ausscheiden von Mitarbeiter:innen aus dem Unternehmen möglichst reibungslos gestalten lässt. Man sollte solche Interviews allerdings nicht zu spät starten; ein bis eineinhalb Jahre vor dem jeweiligen Rentenbeginn ist ein guter Daumenwert. Sonst besteht die Gefahr, dass die Interviews zwischen den ganzen Aufgaben untergehen, die noch schnell abgeschlossen werden sollen.
Wichtig ist bei Debriefing-Interviews die Zielrichtung der Gesprächsführung: Sollen gezielt kritische Informationen zu bekannten Projekten und Tätigkeiten ermittelt werden oder hofft man durch eine weniger stark gesteuerte Gesprächsführung auf das eine oder andere unerwartete Wissens-Nugget? Ganz generell gilt: Die Gespräche sollten in einer angenehmen Atmosphäre stattfinden, die Interviewten sollen frei erzählen können und ermuntert werden, von Erfolgen und (gelösten) Problemen in ihrer beruflichen Vergangenheit zu berichten.
Know-how-Zirkel und Innovationskreise
Viele Unternehmen neigen dazu, Mitarbeiter:innen, bei denen der Rentenbeginn absehbar ist, nicht mehr in Innovationsprojekte und unternehmerische Weiterentwicklungen einzubinden. Das mag zunächst sinnvoll erscheinen, weil oft nicht sicher ist, ob diese Kolleg:innen zur Umsetzung des Projekts noch im Team sein werden. Viele Unternehmen betrachten auch die Investition in Weiterbildung, die solche Projekte bedeuten, als nicht werthaltig für ältere Teammitglieder.
Tatsächlich haben Unternehmen aber auch viel zu gewinnen, wenn sie diese Mitarbeiter:innen in Innovationsprojekte einbinden. Denn mit ihrer Erfahrung aus vorherigen Projekten und Systemeinführungen erkennen sie typische Stolperfallen oft leichter als jüngere Teammitglieder. Das Know-how der Boomer trägt dadurch auch über deren Berufstätigkeit hinaus entscheidend zum Unternehmenserfolg bei.
Tandem-Aufräumen
Für viele ist es ein Bedürfnis, seine Arbeit geordnet zu hinterlassen. Warum sollte man also dieses Bedürfnis nicht gleich als Wissensquelle nutzen? Bei einem gemeinsamen „Aufräumen“ zwischen dem baldigen Rentner und einem jungen Teammitglied ergeben sich oft viele Gesprächsanlässe: Warum waren diese Unterlagen einmal wichtig? Was war das Besondere in diesem Projekt, das hier noch final abgeschlossen wird? Wer sind die Menschen auf diesem alten Foto? Beim Aufräumen werden Erinnerungen wach, es wird über vergangene Projekte diskutiert und Geschichten aus früheren Tagen kommen zum Vorschein. So wird das Großreinemachen von der lästigen Pflicht zu einem Anlass für gemeinsame Erinnerungen und die jungen Nachfolger:innen entwickeln mehr Gespür für die eigene Unternehmenskultur.
Das Ausscheiden der Boomer muss nicht in einem katastrophalen Wissensverlust enden. Durch gezielt eingesetzte Aktionen wird es zur Inspirationsquelle für die Teammitglieder, die weiterhin die Arbeit am Laufen halten. Die vier Beispiele in diesem Post geben eine Idee davon, wie die Verrentung eines großen Teils der heutigen Arbeitnehmer:innen reibungsloser gestaltet werden kann. Habt ihr weitere Ideen oder Erfahrungen zu diesem Thema? Wir freuen uns auf eure Kommentare.