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Wenn Sie schon ein wenig älter sind, dann kennen Sie vielleicht noch die Versprechungen zum papierlosen Büro aus den Achtziger Jahren. Was damals mit viel Enthusiasmus und dem Brustton der Überzeugung angekündigt wurde, ist heute noch längst nicht Realität. Steht mit der papierlosen Dokumentation, die heute viel diskutiert wird, dasselbe zu erwarten? Wir sehen uns die Vorteile der papierlosen Dokumentation einmal genauer an.
Warum papierlose Dokumentation?
Warum ist papierlose Dokumentation im Moment überhaupt ein Thema in Technischen Redaktionen? Sollte sie nicht schon seit Langem Realität sein? Nun, das ist sie leider nicht, denn bisher hatte der Gesetzgeber der papierlosen Dokumentation einige Riegel vorgeschoben. Erst mit der neuen Maschinenverordnung wird eine ausschließlich papierlose Dokumentation sinnvoll möglich. Und der digitale Produktpass gibt sein weiteres hinzu, damit sich auf dem Weg zur papierlosen Dokumentation einiges bewegt.
Das hat – zugegebenermaßen – lange gedauert. Denn papierlos zu dokumentieren, wird schon seit Langem diskutiert. Meinen ersten Vortrag zur Technischen Dokumentation hielt ich 1997 im Rahmen einer Veranstaltung der tekom „Technische Information in elektronischen Medien“ zum Thema „Dokumentieren mit HTML“. Da war das World Wide Web noch keine vier Jahre alt.
Die Konzepte für papierlose Dokumentation sind also lange bekannt. Aber dennoch lohnt es sich noch einmal darüber nachzudenken, welche Vorteile digitale Produktinformationen haben und wo sich Papier immer noch lohnt.
Vorteil digital
Natürlich haben digitale Dokumente viele Vorteile. Denn das Format ist flexibel und eröffnet gegenüber Papier zahlreiche neue Möglichkeiten: Interaktivität, Einbinden von auditiven, visuellen und 3D-Medien, schnelle Aktualisierung, zielgruppengenaues und zeitgesteuertes Ausspielen von Inhalten und noch vieles mehr spricht für digitale Inhalte. Allein diese gesteigerten Möglichkeiten und die zusätzliche Flexibilität geben oft schon den Ausschlag für die Wahl digitaler Publikationen.
Hinzu kommt noch, dass oft auch die Kostensituation für papierlose Anleitungen spricht. Das gilt sogar dann, wenn z. B. für die Verteilung von Serviceinformationen das eigene Personal mit Tablets oder anderen Lesegeräten ausgestattet werden muss. Denn der Druck aber auch die Auslieferung von Anleitungen – das kennt jede Redaktion – bildet einen wiederkehrenden hohen Kostenblock, der die Kosten für Hardware schnell übersteigt.
Und auch die Lesegewohnheiten vieler Nutzer und Nutzerinnen sprechen zunehmend für digitale Dokumente. Gerade jüngeren Zielgruppen sind digitale Medien oft vertrauter als das Lesen von Papierdokumenten. Mit papierloser Dokumentation kommt man so diesen Vorlieben entgegen und mindert Nutzungsbarrieren.
Sieg Papier
Ist Papierdoku also ein Auslaufmodell? Das nun wieder auch nicht, denn es gibt durchaus Situationen, in denen sich immer noch Papier als Dokumentationsträger empfiehlt. Allerdings sind diese Situationen vergleichsweise selten.
Oben haben wir von den Lesegewohnheiten gesprochen, die sich mittlerweile zugunsten der digitalen Dokumentation ändern. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass es noch immer viele Nutzer:innen gibt, die gedruckte Dokumente vorziehen. Das kann im Zweifelsfall sogar Papierdokumentation erzwingen, z. B. wenn Senior:innen nicht bereit sind, die Dokumentation ihres Treppenlifts in einer App zu lesen und dadurch für die Zielgruppe ein Verletzungsrisiko entsteht.
Ein weiterer Faktor ist die Wertigkeit der Dokumente, die durch ein Druckwerk signalisiert wird. Natürlich lassen sich auch digitale Dokumente ansprechend gestalten. Durch Papierqualität, Druckfarben und Verarbeitung lässt sich aber auch auf haptischem Weg eine Qualität signalisieren, die gerade bei Produkten im Luxussegment gefragt ist.
Manchmal hat Papier auch die Vorteile auf seiner Seite, wenn es um Sicherheit und Archivierung geht. Zwar lassen sich natürlich auch gedruckte Materialien kopieren. Die Hürden dafür sind aber höher als bei digitalen Dokumenten, die leicht kopierbar sind und in denen sich gelegentlich auch schutzwürdige Informationen verstecken, die an der Oberfläche nicht sichtbar sind (z. B. wenn eindeutige Bemaßungen in Grafiken versteckt hinterlegt sind, die dann zum Reverse Engineering genutzt werden können). Solche ungewollte Weitergabe von Informationen lässt sich mit Papierdokumentation leichter im Griff behalten.
Auch die dauerhafte Bereitstellung einer Dokumentation kann mit Papier einfacher sein. Die Lebenszeit mancher Produkte bemisst sich in Jahrzehnten und bei solchen Produkten kann der technische Wandel von digitalen Formaten zum Problem werden. Wer ist z. B. heute noch fähig, seine WordPerfect-Dateien auf einer alten Floppy-Disk zu lesen? Die Konvertierung von solchen Legacy-Formaten birgt Risiken des Datenverlusts und erfordert einen dauerhaften Workflow, in dem diese Konvertierung vorgenommen wird. Für die (extrem) langfristige Bereitstellung von Informationen kann deshalb eine Anleitung auf alterungsbeständigem Papier durchaus eine relevante Lösung sein.
Fazit
Der Trend zur digitalen Anleitung hält schon lange an und wird sicher auch in den nächsten Jahren weitergehen. Wer jetzt allerdings denkt, dass Papier komplett aus der Dokumentation verschwinden wird, der dürfte sich täuschen. Es gibt auch heute noch Nischen, in denen Papier als Format überlegen ist. Und dank leistungsfähiger Redaktionssysteme ist es auch kein Problem mehr, diese Nischen zu bedienen, wenn man sie einmal erkannt hat.