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Innerhalb kurzer Zeit sind in Deutschland zwei Normen erschienen, die Standards für Einfache Sprache aufstellen. Das sorgt auf den ersten Blick für Verwirrung: Warum zwei Normen für dieselbe Sache? Wir sehen uns die beiden Normen einmal genauer an und erklären, wie sie wem bei der täglichen Schreibarbeit helfen.
Worum geht es bei Einfacher Sprache?
Zunächst einmal: Worum geht es eigentlich bei Einfacher Sprache (mit großem „E“)? Einfache Sprache ist ein Sprachstil (und -standard). Er soll ermöglichen, Sachtexte so zu formulieren, dass sie möglichst leicht für solche Zielgruppen zu verstehen sind, die weniger Sach- oder Sprachkenntnisse als die Schreibenden mitbringen.
Ganz generell ist Einfache Sprache nicht als Zwangsinstrument zu verstehen, sondern als Hilfe für Autor:innen, ihre Zielgruppe besser zu erreichen. Einfache Sprache bezieht sich außerdem nicht auf die Fachkommunikation zwischen Expert:innen. Und sie zielt auch nicht auf Literatur oder andere Unterhaltungsformate. Niemand wird also in seiner Schreibarbeit durch Einfache Sprache eingeschränkt. Doch oft kann sie beim Schreiben helfen.
Einfache Sprache wird manchmal mit Leichter Sprache verwechselt (zu der übrigens zurzeit ebenfalls eine DIN-Norm entsteht). Allerdings gibt es hier einen deutlichen Unterschied. Leichte Sprache richtet sich im Kern an Menschen mit kognitiven Einschränkungen. Sie greift in den Sprachbestand des Deutschen ein, indem sie etwa längere Wörter durch einen Mediopunkt auftrennt.
Einfache Sprache richtet sich hingegen potenziell an alle. Auch ein Quantenforscher profitiert z. B. davon, wenn seine Steuerformulare in Einfacher Sprache formuliert sind. Denn niemand ist immer und in allen Bereichen Expert:in; in der Kommunikation mit Laien und Laiinnen spielt die einfache Sprache aber ihre Stärken aus.
Zwei Normen für dasselbe?
Mit der DIN ISO 24495-1 (Einfache Sprache – Teil 1: Grundsätze und Leitlinien) und der DIN 8581-1 (Einfache Sprache – Anwendung für das Deutsche – Teil 1: Sprachspezifische Festlegungen) sind nun in Deutschland innerhalb kurzer Zeit gleich zwei Normen erschienen, die Einfache Sprache standardisieren. Ist dies eine ungewollte Doppelung? Widersprechen sich die beiden Normen womöglich sogar?
Genau das Gegenteil ist der Fall. Einen ersten Hinweis gibt der Titel der beiden Normen. Die DIN ISO 24495-1 trägt „ISO“ im Namen. Das bedeutet, dass sie die deutsche Übersetzung einer internationalen (ISO-)Norm ist. Sie standardisiert Grundprinzipien und Vorgehensweisen, die für Einfache Sprache (oder plain language, communication claire, lenguaje claro etc.) unabhängig von den jeweiligen einzelsprachigen Strukturen gelten. Im Kern formuliert diese Norm vier Forderungen, die an Texte in Einfacher Sprache zu richten sind:
- Die Leserschaft erhält, was sie braucht. (Relevanz)
- Die Leserschaft kann leicht finden, was sie braucht. (Auffindbarkeit)
- Die Leserschaft kann leicht verstehen, was sie findet. (Verständlichkeit)
- Die Leserschaft kann die Informationen einfach verwenden. (Anwendbarkeit)
Die Norm legt großen Wert auf Zielgruppenorientierung und auf die Qualitätssicherung von Dokumenten über den gesamten Dokument-Lebenszyklus hinweg.
Auf der Basis dieser Prinzipien formuliert die DIN 8581-1 nun Regeln und Empfehlungen, mit welchen sprachlichen Mitteln sich die Forderungen für Einfache Sprache im Deutschen umsetzen lassen. Sie ist keine internationale Norm, sondern bezieht sich nur auf das Deutsche und betrachtet auch sprachliche Merkmale, die es zum Teil in anderen Sprachen gar nicht gibt (z. B. Funktionsverbgefüge). Am ehesten lässt sich DIN 8581-1 also mit einem Stilhandbuch oder einem Redaktionsleitfaden vergleichen.
An wen richten sich die beiden Normen?
Die beiden Normen bauen somit aufeinander auf. DIN ISO 24495-1 bildet die Basis und den theoretischen Unterbau für Einfache Sprache. DIN 8581-1 bricht Einfache Sprache auf das Deutsche herunter.
Die Normen sind eine wichtige Grundlage für alle, die Sachtexte mit hohem Erklärungsbedarf schreiben, Mitarbeiter:innen in Behörden ebenso wie Jurist:innen, Leute aus der Wissenschaft ebenso wie aus dem Journalismus; Marketingfachleute und Technische Redakteur:innen. Gerade für unsere Branche ist das Konzept der Einfachen Sprache interessant, denn sie macht auch digitale Inhalte einfach und ist damit ein Faktor in der Digitalisierung.
Für all diese Menschen (und noch viele mehr) sind die beiden Normen eine Hilfe für ihren Arbeitsalltag. Denn das sind sie: eine Hilfe und nicht eine Zwangsjacke, die Menschen ihren eigenen Stil verbietet.
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