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Ist weniger mehr? – Lehrstoff sinnvoll reduzieren
Vor mir liegt nun also ein Arbeitsbuch für die Lehrpraxis an Hochschulen. „Stoff reduzieren“ von Bettina Ritter-Mamczek war der Auftakt zur Reihe „Kompetent lehren“ des UTB- und Budrich-Verlages, in der mittlerweile acht Bücher erschienen sind. Im Mittelpunkt steht – ganz dem Zeitgeist entsprechend – der Lernende. Wie kann ich Wissen so aufbereiten, dass der Lernende den größtmöglichen Nutzen daraus zieht?
Die Autorin ist selbst seit 19 Jahren als Dozentin und Moderatorin tätig. Sie liefert einen Überblick über Lehrkonzepte und gibt zahlreiche Tipps zur Planung von Lehrveranstaltungen. Dabei geht es nicht nur um Stoffreduzierung, sondern auch um durchdachte Lehrorganisation. Das Buch startet mit einer notwendigen Begriffserklärung als Schnelleinstieg und versammelt dann Konzepte zur Veranstaltungsplanung, insbesondere sog. Fachlandkarten. Zur Veranschaulichung fließen immer wieder Beispiele aus der Praxis ein. Aufgelockert wird das Ganze mit Handzeichnungen.
Hält sich das Buch an seine eigenen Regeln?
Stellenweise fällt es schwierig, sich einen endgültigen Masterplan herauszufiltern. Die Autorin nennt so viele Konzepte und teils sich überschneidende Fragelisten zur Planung, dass ich mich frage, wo ich am besten anfangen soll. Hier liegt es dann doch am Leser selbst, sich daraus einen geeigneten Plan zurechtzubasteln. Aber genau das muss nicht immer ein Nachteil sein. Die Autorin beschränkt sich nämlich nicht nur auf klassische Lehrmethoden, sondern bedient sich auch beim Projektmanagement (s. SMART-Konzept). Die Stärke des Buchs liegt dabei klar in den praxisrelevanten Beispielen und Übungen. Der Leser wird dazu angehalten, die eigene Arbeit im Hinblick auf das Beschriebene zu überdenken oder in Übungen zu erproben. Dadurch stellt sich schnell eine gewisse Routine in der Aufbereitung von Lehrinhalten ein.
Und was nützt das im Unternehmen?
Schön und gut, jetzt habe ich gelernt, wie ich Studenten und Schülern sinnvoll Wissen vermittle. Aber kann ich dieses Wissen auch in anderen Bereichen anwenden? Ein Blick über den Tellerrand lohnt sich. Die vorgestellten Konzepte lassen sich ganz klar auf die Arbeit im Unternehmen und den Redaktionsalltag übertragen. Immer wieder muss ich mich beim Schreiben eines Artikels fragen: Wer sind meine Leser, was meine Ziele, und was ist das zentrale Thema? Das letzte Kapitel widmet sich dieser Problematik und liefert Vorschläge für auftauchende Fragen. Außerdem sind Workshops und Seminare auch bei uns im Unternehmen immer ein Thema. Dafür kann man sich hier bedenkenlos bedienen.
Ein Nachschlagewerk für Wissensvermittlung
Der Tatsache geschuldet, dass das Buch in einer Reihe erschienen ist, werden einige Aspekte nicht behandelt. Es geht nicht darauf ein, wie man Inhalte veranstaltungsübergreifend vorbereitet, was bei heterogenen Gruppen zu beachten ist oder welcher Medieneinsatz sinnvoll ist. Hier liegen dann auch die Grenzen für mich als Redakteurin im Unternehmen oder Leiterin von Workshops, wo eine homogene Zielgruppe doch eher die Ausnahme ist. Nichtsdestotrotz liefert das Buch einen hervorragenden Einstieg in das Thema. Es richtet sich an Einsteiger und Geübte gleichermaßen, wobei letztere dabei vor allem zur Reflexion ihrer bisherigen Lehrgestaltung angeregt werden. Sollte ich mal vergessen haben, worauf es ankommt, kann ich mich mit diesem Buch immer wieder daran erinnern.
Literatur: Bettina Ritter-Mamczek [2016; 2. Aufl.]: Stoff reduzieren. Methoden für die Lehrpraxis. Verlag Barbara Budrich, Opladen und Toronto. ISBN 978-3-8252-4462-0
Hinweis: Das hier besprochene Buch wurde uns vom Verlag kostenfrei als elektronisches Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Der Verlag hat keinerlei Einfluss auf den Inhalt dieser Besprechung genommen.
Eine interessante Rezension zu diesem Buch, das ich noch nicht kannte. Vielen Dank dafür!
Heterogene Lerngruppen sind tatsächlich eine Herausforderung, auf die in der Literatur noch nicht ausreichend eingegangen wird. Ich habe mich im Rahmen meiner Dissertation mit der Heterogenität von Lerngruppen beschäftigt – zwar im Hochschulkontext, aber ich denke, dass sich einige Erkenntnisse generalisieren lassen. Zu berücksichtigen ist vor allem, dass die beliebte Lehrmethode “Gruppenarbeit” in allen möglichen Varianten nur sinnvoll bei Lerngruppen mittlerer Größe und mittlerer Heterogenität ist. Wenn die Teilnehmer zu unterschiedlich im Hinblick auf Alter, Vorwissen, Kultur, Lernziel, Persönlichkeit usw. sind, vergeudet man mit Gruppenarbeit zu viel Zeit, bis die Gruppe produktiv arbeitet. Bei mittlerer Heterogenität profitieren die Teilnehmer aber enorm von Gruppenarbeit.
Bei Interesse an dem Thema können Sie sich gerne bei mir melden! Herzliche Grüße
Carmen Canfora