Neulich haben wir diese Kommentarfrage von Dennis Jochen erhalten. Und weil wir denken, dass die Frage auch unsere Leser interessieren dürfte, beantworten wir sie in diesem Blogpost öffentlich.
Hallo !
Ich habe eine Frage an Sie als Sprachexperten, die sich mit der richtigen Wahl des Numerus beschäftigt. Es geht um folgende Beispielsätze:
1.Satz:
Das Seminar richtet sich an Konstrukteure, Konstruktionsleiter oder andere Mitarbeiter, die Risikobeurteilungen erstellen oder für deren Inhalt verantwortlich sind.Wann nimmt man hier den Plural „die Riskobeurteilungen“, wann den Singular „die eine Risikobeurteilung“? Abgesehen davon, dass man eine Riskobeurteilung als Abstraktum nicht erstellen kann.
2. Satz:
Er befreit Menschen gerne aus misslichen Situationen, weil er hierin seinen Lebenssinn sieht.Wann nimmt man hier den Plural „mißlichen Situationen“, wann den Singular „einer misslichen Situation“?
Vielen Dank für Ihre Hilfe.
Mit freundlichem Gruß
Dennis Jochen
Einzahl, Mehrzahl, egal?
Tja, was anfangen mit den verschiedenen Varianten? Zunächst einmal kann man feststellen, dass beide Formulierungen (Singular und Plural) grammatisch korrekt sind. Das ist beruhigend und zeigt uns, dass wir uns die Frage aus stilistischer Sicht oder auf der Bedeutungsebene ansehen müssen.
Denn im Kern – und das mag Sie jetzt überraschen – geht es hier gar nicht so sehr um die Frage Einzahl/Mehrzahl. Sondern es geht um eine Sache, die noch ein wenig tiefer in der Grammatiktheorie angesiedelt ist: um das Phänomen der Bestimmtheit bzw. Unbestimmtheit.
Ob eine Sache „bestimmt“ ist, zeigen wir im Deutschen mit verschiedenen Möglichkeiten. Die bekannteste davon ist der bestimmte bzw. der unbestimmte Artikel. „Der, die, das“ zeigt an, dass das dazugehörige Wort bestimmt ist, also vorher erwähnt wurde oder allgemein bekannt ist. Es „ragt“ sozusagen als Individuum heraus. Daneben steht dann der unbestimmte Artikel. Er bezieht sich aber immer noch auf ein Individuum – allerdings auf ein beliebiges. Und Sie erkennen schon, wo das Ganze hinführt. Wollen wir noch unbestimmter werden, dann können wir den Plural (ohne Artikel) verwenden. Und damit sind wir auch am Ziel angekommen: Ich würde jeweils die Pluralformen nehmen, weil hier ganz allgemein gesprochen wird.
Erstellen oder abgeben?
Übrigens ist es meiner Ansicht auch o. k., „erstellen“ mit „Risikobeurteilungen“ zu kombinieren. Denn gemeint ist hier ja wahrscheinlich das Dokument oder zumindest das Konzept. Und beides ist erstellbar. Wenn es aber wirklich weniger konkret sein soll, dann würde ich „abgeben“ verwenden. Das passt einerseits gut zu „Beurteilung“, ist aber ziemlich unverbindlich. Es geht inhaltlich dann aber mehr in Richtung „sich mal mit seiner Einschätzung zu Wort melden.“
Haben auch Sie Fragen zum beruflichen Schreiben? Melden Sie sich gerne in den Artikelkommentaren oder auf Twitter @doctima.