Immer wieder liest man Dinge wie „Bonner Kunstverein eröffnet zeitgleich drei Ausstellungen“. Wirklich? Und wenn ja, wen interessiert es, dass die Ausstellungseröffnungen die gleiche Dauer haben? Gemeint war hier „gleichzeitig“ oder eventuell auch „am selben Tag“. Denn „gleichzeitig“ bedeutet zum selben Zeitpunkt oder im selben Zeitraum stattfindend. „Zeitgleich“ sind dagegen Ereignisse, wenn sie gleich lang dauern, ganz unabhängig vom Zeitpunkt, an dem sie stattfinden.
Ein kleiner, aber feiner Unterschied: Ereignisse können zwar gleichzeitig und zeitgleich stattfinden – sie müssen es aber nicht. Wenn die Skiläuferinnen Tina Maze und Dominique Gisin zeitgleich in Sotschi gewinnen, dann bedeutet das eben nicht, dass sie zusammen im Ziel ankommen – sonst wären sie ja gleichzeitig da.
Aufreger-Thema
Die Verwechslung von gleichzeitig und zeitgleich ist mittlerweile fast schon ein Aufreger-Thema geworden. Offensichtlich kann man damit so viel Aufmerksamkeit erhalten, dass es sich lohnt dafür eigens zur Generierung von Werbeeinnahmen eine Microsite aufzuziehen (Wer will kann, das gerne googeln. Ich unterstütze dieses Verhalten aber nicht mit einem Direktlink und verweise stattdessen auf den Zwiebelfisch zum Thema).
Nun kann man sich natürlich fragen: „Ist das nicht wieder nur das übliche Genörgel von Leuten, die mit Sprachwandel nur schlecht umgehen können, wenn er sie selbst betrifft?“ Ich finde nein, denn es geht hier um die Differenzierungsfähigkeit in der Sprache. Klar, vielleicht hat nicht jeder das Bedürfnis, solche feinen Bedeutungsunterschiede zu ziehen. Und als Linguist kann ich das zum Teil auch akzeptieren.
Differenzieren statt imponieren
Aber warum verwenden dann eigentlich seit einigen Jahren immer mehr Leute „zeitgleich“. Ich kann zwar auch nicht in die Köpfe der Sprecher hineinsehen. Aber wenn ich mir so vor Augen führe, wann ich „zeitgleich“ bisher gehört habe, dann beschleicht mich ein Verdacht: „Zeitgleich“ klingt offensichtlich irgendwie interessanter, ungewöhnlicher und letzten Endes gewählter. Es ist irgendwie so wie „gleichzeitig“ aber irgendwie doch auch wieder nicht.
Das heißt aber letzten Endes, wir geben eine sinnvolle Differenzierungsmöglichkeit auf und erhalten dafür sprachliches Renommiergehabe. Solche Imponierverwendungen sind übrigens nicht nur auf „zeitgleich“ beschränkt. Ähnliches passiert auch bei „gleichsam“ und „gleichermaßen“ oder bei „anscheinend“ und „scheinbar“. Gemeinsam ist diesen Beispielen, dass die Sprecher ein gebräuchliches deutsches Wort mit einem weniger gebräuchlichen verwechseln, mit dem es zumindest ein Morphem („zeit“, „gleich“, „schein“) und einige Bedeutungskomponenten teilt. Außerdem lassen sich die Wörter in ähnlichen Zusammenhängen verwenden.
Die Verwechslung ist also verständlich, entlarvt aber auch den Phrasendrescher. Und deshalb sollte man schon genau hinhören, wenn Leute „zeitgleich scheinbar alles richtig“ machen.
“anscheinend” und “scheinbar” haben keinerlei Bedeutung gemeinsam. Sie unterscheiden sich nicht nur, sondern stehen konträr zueinander.
Zeitgleich – sinngleich – wortgleich
———————————————
Ich oute mich mich auch als ein Verfechter des Wortes “zeitglich”. Das weit korrektere ist mir seit der Grundschulzeit verlitten, als meine damalige Lehrerin mich wegen der Verwendung von “gleichzeitig” vor der Klasse blosstellte. Zu altklug sei das.
In der Konzeptsprache ist die Wortfamilie …gleich wunderbar. “Zeitgleich” klingt gleich geschliffen aber viel deutsche als “paralell”. Wie viele Dinge im Berufsleben werden “paralell” erledigt.
Gleiches Gruselwort ist “analog”. Auch der absolute Abtörner in Fachsprache, Emails, Protokollen. Was nehmen – natürlich sinngleich.
Oder das denglische Ungetüm “synonym” oder der Bürokratenschreck “bzw.”. Nehme “wortgleich” – und es ist vollendet.
Auffällig ist, dass vor allem
Leute die sich selbst
zu den gebildeteren zählen,
zeitgleich, anscheinend, u.ä.
falsch verwenden.
Auch der Unterschied zw.
Weinflasche und Flasche Wein
ist zusehends nicht mehr
geläufig ….